[WLANtalk] [WLANware] [Berlin-wireless] Mutter von Freifunker wegen Filesharing verurteilt

yanosz freifunk at yanosz.net
So Jun 28 11:33:31 CEST 2020


Hallo,

ich hab' mal auf wlan-talk gesetzt, da die diskussion nicht mehr
technisch ist.

Am 22/06/2020 um 21.37 schrieb Stephan (Neanderfunk):
> Hallo zusammen, 
> 
> ich möchte kurz darauf hinweisen, das Freifunk in Deutschland in verschiedenen Communities verschieden gelebt wird. Es gibt Freifunk Communities welche sich den Aufwand machen und Tunnel Infrastrukturen betreiben und anbieten, es gibt aber auch Communities welche, insbesondere nach dem Entfall der Störerhaftung, keine Tunnel Infrastruktur mehr betrieben und den Traffic direkt am Anschluss des Knotenbetreibers ausleiten.
> 
> Sofern an anderen Stellen bereits diskutiert [1], scheint im u.g. Fall der Schaden lange vor dem Fall der Störerhaftung entstanden zu sein.

Soweit ich sehe, wurde die Betroffene als Täterin und nicht als Störerin
verurteilt. Ich sehe nicht, wie die Neuregelung der Störerhaftung damit
in einem Zusammenhang stehen könnte.

IMHO ist das Problem ein anderes:

Einerseits sieht EU-Recht vor, dass das Eigentum der Rechteinhaber
geschützt werden muss (McFadden [2]). Das TMG sieht hierfür z.B. Sperren
vor. Zugleich haben Rechteinhaber Auskunftsansprüche gegenüber
Dienstanbietern. Dieser Punkt ist für das TMG afair diskutiert worden.

Das führte im aktuellen Fall dazu, dass die betroffene Mutter als
mutmaßliche Täterin ermittelt werden konnte. Rechtlich (nicht
technisch(!)) gesehen, begründet das nun die Vermutung, dass die
Betroffene auch Täterin ist. Die technische Sicht auf die Dinge
interessiert nicht.

Soweit ich verstanden habe, hat die Betroffene keinerlei abuse-Handling
gemacht. Es gab keine für die Rechteinhaber erkennbare abuse-Addresse zu
dem Hotspot. Soweit das Dilemma.

Was bedeutet der Punkt nun für Freifunk? IMHO stellt sich die Frage, ob
und ggf. wie in einem Freifunk-Netz die Interessen der Rechteinhaber
geschützt werden können, d.h. gültiges EU-Recht (McFadden) umgesetzt
werden kann.

Eine Möglichkeit ist IMHO ein abuse-handling durch eine Freifunk
Community. Hierbei können sich die Rechteinhaber wenden um Sperren
einzufordern. Das hat den Nachteil, dass die Community einerseits eine
entspr. organisatorische Struktur braucht (Verein, e.G, etc.) und
andererseits Administratoren haben muss, die das Netz dann komplett
verwalten.

Eine andere Möglichkeit wäre die Nutzung eines VPN-Anbieters aus dem
Ausland, für das eine andere Rechtslage gilt. D.h. die Interessen der
Rechteinhaber auf andere Weise als Auskunftsansprüche umgesetzt werden
(wie, keine Ahnung. INAL, McFadden sollte auch im EU-Ausland relevant
sein). Hierbei können Node-Aufsteller einen beliebigen VPN-Provider
selbst auswählen, s.d. Aufgaben in der Community entfallen. Dafür hat
ein solches Setup eine höhere technische Komplexität.

Aktuell gibt es z.T. die Interpretation, dass das aktuelle Urteil ein
abuse-Handling erfordert, das jegliche Zugänge revisionssicher für 10
Jahre archiviert und eine private Vorratsdatenspeicherung extremen
Ausmaßes bewirkt. Diese Interpretation finde ich etwas realitätsfremd,
da Stand jetzt viele ISPs Ihre Vorratsdaten wesentlich kürzer
aufbewahren. Der wesentlich Punkt ist IMHO, dass bei diesen ISPs der
abuse-Desk klar benannt und kontaktierbar ist.

Wie kann abuse im Freifunk-Netz gehandhabt werden?

Gruß, yanosz


> [1]https://forum.freifunk.net/t/stoererhaftung-revival/19717/10

[2]
https://www.sueddeutsche.de/muenchen/prozess-neues-gesetz-altes-recht-1.3752828



-- 
Was die Europäische Union ist, wie sie handelt und wen sie im Zweifel
bekämpft, lässt sich seit gut einer Woche an der griechisch-türkischen
Grenze beobachten. Die angebliche Wertegemeinschaft benimmt sich, als
sei sie im Krieg.

Die Würde des Menschen ist nämlich sehr wohl antastbar, jedenfalls dann,
wenn er auf der falschen Seite des Stacheldrahts steht.
Und seiner Rechte auf Leben und körperliche Unversehrtheit
darf sich der Mensch nicht allzu gewiss sein.

Ulrich Schulte, Leiter Parlamentsbüro taz, 6.3.2020
https://taz.de/Fluechtlinge-an-der-EU-Aussengrenze/!5669517/


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