[WLANtalk] Provider-AGB & Freifunk

Kai 'wusel' Siering wusel at guetersloh.freifunk.net
Di Jan 6 23:27:10 CET 2015


Danke für Deine Ausführungen, Reto!

Kurzfassung also: Nichts genaues weiß man nicht, außer, daß wohl noch 
kein Internet-Anbieter diese Karte bislang gegenüber Kunden gezogen hat. 
Nachweisen können darf der ISP die Freifunk-Nutzung nicht 
(Fernmeldegeheimnis), womit ihm auch keine Berechnung von Schadensersatz 
möglich ist [wobei, hilfsweise könnte er den VPN-Traffic nehmen?]. Das 
effektive Risiko ist mithin gering. Durch die geplante "Digital Single 
Market-Verordnung" der EU würden Klauseln, die das Teilen von 
Anschlüssen (explizit auch für Freifunker!) verbieten, unwirksam; unklar 
ist nur, ob/wann diese wie umfassend auch kommt. Reto, kann man das so 
als Quintessenz kommunizieren?



FYI, das Pamphlet der NW hat es mittlerweile ins Handelsblatt geschafft: 
http://www.handelsblatt.com/technologie/it-tk/mobile-welt/offene-wlan-netze-freifunk-fuer-alle/11156732.html

Santos, "der seinen Nachnamen lieber nicht in der Zeitung lesen möchte", 
ist nun deutschlandweit bekannt -- der Gute hatte wohl eine Vorahnung. 
Mittlerweile kann ich verstehen, warum Politiker Artikel erst nach 
Rezension passieren lassen -- oder Interviews gar nicht geben. Das mit 
dem Qualitätsjournalismus scheint mir eher ein großes Mißverständnis zu 
sein ...

*seufz*

Sich den harten Drogen zuwendend und für heute abmeldend,
-kai

On 19/12/14 11:56, Reto Mantz wrote:
> Hallo,
>
> es gibt (meines Wissens nach) im Dunstkreis des Teilens von
> Internetanschlüssen und Verboten bisher nur ein Urteil vom OLG Köln, das
> zwischen zwei TK-Anbietern spielte (OLG Köln, Urt. v. 5.6.2009 - 6 U
> 223/08: Unlauterkeit des Geschäftsmodells von FON, MMR 2009, 695 -
> http://www.retosphere.de/php/download.php?fileId=53 - inklusive
> Anmerkungen zum Urteil von mir). Da wehrte sich ein TK-Anbieter
> (erfolgreich) gegen das Sharing-Modell von FON. Die Parteien haben sich
> während der laufenden Revision beim BGH vergleichsweise geeinigt, so
> dass unklar ist, was der BGH dazu gesagt hätte.
> Das Urteil ist aber auch nicht so richtig für den vorliegenden Fall
> interessant/anwendbar, weil das OLG Köln auf das AGB-Verbot des Teilens
> des Anschlusses gar nicht richtig eingegangen ist. Es gibt also
> tatsächlich bisher kein Urteil, das sich mit einer solchen
> Verbotsklausel - insbesondere aus Verbrauchersicht - befasst hat. Es
> gibt dazu nur juristische Literatur (nämlich - Achtung: Werbung! -
> Sassenberg/Mantz, WLAN und Recht, Rn. 320-325, Kaeding, CR 2010, 164 und
> Auer-Reinsdorff/Conrad, IT-Recht, 2011, § 20 Rn. 31)
> Es wäre vielleicht eine nette Aufgabe für den VZBV, solche Klauseln mal
> überprüfen zu lassen, zumal, wenn durch sie unklar ist, ob vom Verbot
> des Teilens auch Familienmitglieder und Besucher erfasst sind,
> vielleicht hat ja jemand von Euch Kontakte dahin und kann das mal
> ansprechen. In solchen Fällen spricht einiges für eine generelle
> Unwirksamkeit, da das Teilen von Internetanschlüssen wenigstens in der
> Familie heute absoluter Standard ist (und die Anbieter auch mit WLAN für
> die ganze Familie werben).
>
> Nach derzeitigem (!) Stand dürfte solche Verbote aber erstmal als
> wirksam anzusehen sein, zumindest wenn sie ausreichend klar und
> transparent sind. Was in dem Beitrag von NW angesprochen wurde, dürfte
> also in der Regel richtig sein. Richtig ist aber auch, dass die Folgen
> maximal Kündigung des Vertrages und Schadensersatz sind. Der
> Schadensersatz dürfte denkbar gering sein - wenn er sich überhaupt
> zahlenmäßig erfassen lässt. Und von einer Kündigung aufgrund eines
> geteilten Anschlusses habe ich - ebensowenig wie von
> Schadensersatzforderungen - noch nichts gehört. Die Anbieter können im
> Ergebnis auch gar nicht herausfinden, welcher Datenverkehr vom
> Anschlussinhaber, von Familienmitgliedern und von Freifunkern stammt.
> Das gilt selbst ohne VPN, zumal die Anbieter auch gar nicht in den
> Datenverkehr reingucken dürfen. Ist ein VPN zugeschaltet, ist der
> Datenverkehr ohnehin verschlüsselt und nicht identifizierbar. Ich
> persönlich sehe da kein Risiko, es muss aber jeder für sich ausmachen.
>
> Warum habe ich oben geschrieben "nach derzeitigem Stand"? Die EU
> diskutiert seit einiger Zeit die sog. Digital Single Market-Verordnung,
> die einen einheitlichen Telekommunikationsbinnenmarkt schaffen soll.
> Bekannt ist das vor allem durch die Regelungen in Art. 23 der VO zur
> Netzneutralität. Interessant ist aber, dass in Art. 14 und 15 Regelungen
> speziell für WLAN vorgesehen sind (s. kurz hier
> http://www.telemedicus.info/article/2636-Die-neue-Internet-TK-Verordnung-und-offene-WLANs.html
> (aber in dem Beitrag das mit der Störerhaftung nicht ernst nehmen) und
> hier
> http://www.offenenetze.de/2014/06/23/aufsatz-entwurf-der-single-market-verordnung-und-lokale-funknetze-in-cr-62014-erschienen/).
> Wenn die VO so kommt, wie das EU-Parlament sie beschlossen hat, wären
> Klauseln, die das Teilen von Anschlüssen (explizit auch für Freifunker!)
> verbieten, unwirksam.
> Die schlechte Nachricht: Die Single Market-Verordnung hängt in den
> Mühlen der EU. Ob und in welcher Form sie kommen wird, ist derzeit
> völlig unklar. Möglicherweise werden nur die Regeln zu Netzneutralität
> und Roaming demnächst kommen, was sonst noch kommt, ist wie gesagt unklar.
>
> Aber dieser Entwurf der Single Market-VO ist nach meinem Verständnis ein
> Superargument für Freifunk: Die EU-Kommission und das EU-Parlament
> finden das Teilen von WLAN-Anschlüssen super ("Europe loves Wi-Fi", s.
> http://europa.eu/rapid/press-release_IP-13-759_en.htm). Diese
> Pressemitteilung gehört meines Erachtens ins Standard-Freifunk-Werbepaket.
>
> Viele Grüße
> Reto
>



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