[WLANnews] Hier beginnt ein endloser Ideologie-Thread über Freifunk-Grundsätze

Elektra onelektra at gmx.net
Di Aug 12 03:12:39 CEST 2014


Hi Leute –

streitet Euch doch bitte nicht weiter um des Kaisers Bart! Es gibt große Netze z.B. das in AWMN in Athen und Guifi in Katalonien, die überwiegend auf Richtfunkstrecken als Kabelersatz setzen (und im Falle von Guifi mittlerweile selbst auch Glasfaserkabel verlegen). Das sind beides 'Graswurzelnetze': Freie Netze, selbst aufgebaut und in den Händen und im Eigentum der Benutzer. Gegenseitiges Peering und keine Durchleitungsgebühren. Entstanden sowohl aus technischem Spieltrieb, Neugier und dem Wunsch nach einem sozialen Zusammenleben, das auf gegenseitiger Hilfe basiert.

Die Übergänge zum Mesh-Netz sind technisch fließend. Das mittlerweile 'klassische' Mesh-Netz ist das, wo die Funkschnittstellen im Multipoint-to-Multipoint-Modus (aka Ad-Hoc-Modus) laufen. Das ist prinzipiell effektiver (Infrastruktur-Clients können sonst immer nur über den AP miteinander reden und für andere keinen Traffic weiterleiten. So eine Beschränkung ist doch völlig doof. Wenn die Geräte sich funktechnisch gegenseitig hören und stören können, warum sollen die dann absichtlich nicht direkt miteinander reden können?!)

Aber: Der Ad-Hoc-Modus hatte früher einen Sack voll Probleme, weil die Leute, die den 802.11 Standard ersonnen haben, diesen Multipoint-to-Multipoint-Modus nicht komplett zuende durchdacht haben (was ohnehin schwer ist, wer könnte das von sich behaupten). Die Programmierer haben die Treiber und Firmware nicht richtig dafür entwickelt, weil der Markt nicht danach gefragt hat. Wir fanden hier in Berlin und anderswo dieses Multipoint-to-Multipoint-Prinzip überzeugend und haben uns daran gemacht, das soweit vom Kopf auf die Füße zu stellen, dass das hinhaut. Trotz der Probleme, die am Anfang zum-Haare-raufen waren!

Andere Graswurzelnetzwerker auf der Welt waren vor einem Jahrzehnt einfach pragmatischer: "Ad-hoc ist prinzipiell eleganter, billiger, schöner und kann mehr bezüglich der Netzabdeckung, aber die Treiber sind krank. Das Routing ist komplizierter. Nehmen wir den Infrastruktur-Modus, dann funktioniert es eben. Wir werfen mehr Geld auf die Hardware, auf die Planung und auf den Installationsaufwand. Wenn sich der Nachbar an den Clienten in der Nähe anbinden will, muss bei dem Clienten, der schon Netz hat, halt noch mehr Hardware aufs Dach!" Resultat: Mehr Geräte, mehr Installationsaufwand, komplizierterer Aufbau, noch mehr Routingaufwand, bedeutend mehr Kosten. Als Entschädigung gibt es mehr Bandbreite, weil mehr dezidierte Funkstrecken mit mehr Hardware, mehr Antennen und mehr Planungsaufwand am Ende auch mehr Bandbreite bringen. In Katalonien funktioniert das, denn das Genossenschaftsnetz von Guifi ist so dort ziemlich alternativlos, wenn man in der Gegend Breitband haben will. Deswegen haben die Leute da auch mehr Druck und haben mehr Geld in die Hand genommen. 

Welches Modell ist jetzt besser? Für den Pragmatiker: Das Modell, dass man realisieren (leisten, verwalten, maintainen) kann und das am Ende des Tages das macht, was man haben will.

Der Status-Quo: Mesh funktioniert, ist eleganter, bringt mehr Abdeckung, kostet weniger. Mit mehr Hardware bringt es auch entsprechend Bandbreite. Dual-Band Geräte mit zwei Radios gibt es ab 40 Euro. Aber es gibt immer noch eine Ausnahme: Im 5 GHz-Bereich gibt es das Problem mit der Radarerkennung und den einzuleitenden Gegenmassnahmen. Der Standard redet sich da für den Ad-Hoc-Modus mit der Formulierung "Wenden Sie bei Kollisionen den bestmöglichem Aufwand an" heraus. Zuende gedacht ist die technische Herausforderung hier wieder nicht. Manches ändert sich eben nie. Es sind eben wieder pragmatische Lösungen von Praktiker_Innen gefragt. 

Gruß,
Elektra



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