[WLANnews] Jugenschutz beim Internetzugang: Pseudoargument oder hat das wirklich nen Hintergrund?

Christoph Franzen christophfranzen at googlemail.com
Mi Jul 17 15:43:37 CEST 2013


Am Wed, 17 Jul 2013 10:48:37 +0200 schrieb Allan Wegan
<allanwegan at allanwegan.de>:

Hallo,

> > in Augsburg is grad die Diskussion im Gange, wie und ob man ein
> > öffentliches WLAN mit den Freifunkern zusammen machen könnte. Die
> > städtische IT-Abteilung hat schon mal nen kommerziellen Anbieter
> > vorgeschlagen [...]
> 
> Anscheinend hat da irgendwer etwas gegen Freifunk - ich vermute, dass
> wer wen kennt, der gern was verkaufen will (ich vermute grundsätzlich
> erst mal Korruption, wenn nutzlose Technik gefordert wird).

oh nein, da muß ich ganz energisch widersprechen. Stets Korruption zu
BEFÜRCHTEN ist keineswegs verkehrt, aber wenn Unfähigkeit oder
ähnliches als Erklärung ausreicht, sollte man keinen bösen Willen
annehmen.

> Aber die IT-Abteilung entscheidet normalerweise nichts. Also ignorier
> die. Wende dich stattdessen an die, die was zu sagen haben

Der Ansatz ist gut, Du verkennst aber gerade, wie sowas zustande kommt.

1) Politiker finden, man könnte ja mal Netzzugänge in der Innenstadt
machen oder bekommen das von der Wirtschaft / sonstigen Bürgern
untergejubelt.

2) Die Verwaltung wird beauftragt, da mal einen Vorschlag auszuarbeiten.

3) Die „Fachabteilung“ denkt sich irgendwelche Randbedingungen aus und
redet mal mit den Stadtwerken, falls die - wie hier in Aachen -,
ohnehin Telefonleitungen für Behörden und Unternehmen verbuddeln; falls
nicht, wird halt eine Ausschreibung draus oder man ist gar zum
Ausschreiben verpflichtet, wenn's ein Großprojekt wird.


Um jetzt beurteilen zu können, wie die „Fachabteilung“ auf aus unserer
Sicht absurde Nebenforderungen kommt, muß man sich vor Augen führen, in
welchem Umfeld die leben.

Zum einen müssen sie das Behördennetz nach außen abschotten, ohne daß
alle Mitarbeiter zwei unverbundene Rechner ohne USB-Anschlüsse
und Diskettenlaufwerke brauchen, wenn man auf Bürgernähe (E-Mail) und
die sonstigen Segnungen des Internets nicht verzichten will. Da niemand
will, daß die Einwohnermeldeamtsdaten im Internet stehen, ist das auch
ansatzweise sinnvoll (zugegeben - es hätte schon was, wenn man als
Bürger den einen oder anderen Politiker zur Fahndung ausschreiben
könnte).

Ein zweiter großer Punkt sind die Schulen, wo zu meiner Schulzeit von
80 Lehrern 2 Ahnung von solcher Technik hatten; die können nicht 4
Klassen gleichzeitig und den unfähigen Kollegen den verantwortungsvollen
Umgang mit den Netz beibringen und wie das alles funktioniert und das
ohne „technische Hilfe“ beaufsichtigen.

Die späteren Lehrergenerationen wissen zwar, wie man Briefchen schreibt
und im Kommerz-Internet einkauft, aber das war's auch schon.
Demgegenüber sitzen Schüler mit viiiiieeeeel Zeit, das Internet ist
interessannter als der Unterricht und so weiter. Wenn jene dann mal
selber Lehrer werden, wissen die auch bloß, wie sie früher ihre Lehrer
ausgetrickst und Warez und Pr0n gesaugt haben.

So eine behördliche IT-Abteilung kennt also fast nur unfähige DAUs
und (unfreiwillige) Saboteure und aus dem Dunstkreis heraus schreiben
die ihre „Systemanforderungen“. Insbesondere dann, wenn es irgendeine
Verbindung zum städtischen Netz (außer „rückwärts“ über das Internet)
geben sollte, werden sie das als unverzichtbar ansehen.

Zur Wirksamkeit solcher Maßnahmen bleibt festzustellen, daß die eben
sehr wohl gegen den üblichen DAU helfen. Damit kommt man nicht gegen
Fachwissen und kriminelle Energie an, aber gegen Gedankenlosigkeit und
Fehler aus Unwissen.

Beispiele vom Ex-Arbeitgeber:

Irgendwann kam Edonkey auf, haben wir natürlich auch mal ausprobiert,
eines Tages gingen die Standard-Ports nicht mehr. Wen stört's, kann man
ja andere nehmen. Die Admins meinten auf Nachfrage, das ziehe das Netz
zu, die Kunden hätten Verbindungsabbrüche auf dem FTP-Server gehabt
(wen wundert's - die Anleitung „Emule schneller machen“ aus der
Computer-Bild dient ja gerade dazu, eine Leitung komplett damit
auszulasten); da haben es dann auch wir Nicht-DAUs
vorsichtshalber abgestellt.

Eines Tages ging SMTP nicht mehr, beschwer' ich mich also bei den
Adninistratoren; die erzählen mir, welche aus dem Vertrieb hätten mit
Outlook ihre virenverseuchten Privatmails gelesen und regelmäßig auf
den einen oder anderen Schädling geklickt, den sie dann hätten
wegmachen „dürfen“. Kratzte mich nicht weiter, SSH-Tunnel und
Portumleitungen sind ja kein Problem, ein arbeitsrechtlich wirksames
Verbot gab es auch nicht, im Gegenteil, man wollte nicht wegen ein
paar Vollspacken flächendeckend die Privatnutzung untersagen.

Leute, die sich zuvor durch mehrmalige Admin-Ansprache nicht hatten
belehren lassen, ließen sich durch Primitiv-Maßnahmen wie die Sperrung
bestimmter Portnummern also problemlos aufhalten. Daher sieht so eine
IT-Abteilung auch kein Problem darin, wenn Maßnahmen „nicht perfekt“
sind.


SO kommen solcherlei Forderungen für gewöhnlich zustande und NICHT etwa
aus Freifunk-Haß oder Korruption zur Begünstigung eines bestimmten
kommerziellen Anbieters, der die „zufällig“ perfekt erfüllt.

> Ich wunder mich ja, wieso die Städte nicht von sich aus auf die
> Freifunker, so risikolos und Win-only ist das ganze.

Paßt nicht in die üblichen Abläufe (siehe oben), ist nicht unter
Politiker-Fuchtel und daher erstmal suspekt, nicht seit langer Zeit
flächendeckend etabliert, wie zum Beispiel ein Karnevalsverein (da
weiß man, was die machen).

Viele Grüße, Christoph
-------------- nächster Teil --------------
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