[WLANnews] Anonymität

Andreas Delleske delleske at vauban.de
Sa Jan 5 21:23:49 CET 2013


Hi Jürgen,

> Eine CPU hat eine ID.
> Wozu? (Software-Lizenzen jetzt mal außer acht lassen)?
>
> Eine Netzwerkkarte hat eine ID. Wozu?

> Wie schädlich kann sich im schlechtesten Fall Anonymität
> auswirken, dass man es tatsächlich verhindern müsste?
> Stichwort Kriminalität.

Sehr gute Fragen und Bemerkungen...

<rant>

Naja, Fakt ist es gibt Kriminalität und je einfacher es ist umso mehr
wird sie sich auch ins Internet ausdehnen. Vor allem je weiter arm und
reich voneinander entfernt ist, aber *darüber* redet a keiner. Das ist
ein Tabu im Kapitalismus.

Und so wie es eine Polizei gibt die auch mal ne Wohnung durchsuchen
darf muss es im Internet entsprechende Massnahmen geben. Fragt sich
welcher "Bereich der privaten Lebensführung" heute noch geschützt ist
wenn alle übers Netz kommunizieren. Und ob es für ganz schlimme Fälle
nicht doch möglich sein einzelne Rechner zu identifizieren, ABER:

1.

In einem Rechtssaat gilt die Unschuldsvermutung seit uraltem römischen
Recht. Das wird durch die Vorratsdatenspeicherung gebrochen und andere
Datenbanken von denen wir vielleicht nichts ahnen. Finde ich einen
ganz bedenklichen Bruch lang erprobter Rechtsprinzipien.

2.

Der Einbruch in den privaten Lebensbereich ist unbedingt zu vermeiden,
eher weniger weil die Welt nicht wissen darf mit wem man im Bett liegt
sondern damit selbst Kriminelle sich unbelauscht z.B. mit ihrem
Rechtsanwalt besprechen können. Damit Ideen sich unzensiert bilden
können, damit Therapie möglich ist, damit sich Menschen organisieren
können um die Gesellschaft zu verändern, selbst indem sie an manche
"Tabus" rühren. Das nennt man die "Würde des Menschen" - was würde ein
Mensch tun, wenn er könnte ist die beste Umschreibung für mich. Damit
letztenendes auch (ein möglichst friedlicher) "Umsturz" möglich ist,
denn wenn man den "Umsturz" zu sehr reglementiert (totalitäre Staaten)
kommt er verzögert aber um so blutiger. "Umstürze" können friedlich
sein, wenn man es schafft über Tabus in der Gesellschaft zu
kommunizieren. Die "umstürzlerischen Ideen" sollen sich bilden können,
aber dann müssen sich sich den Wahlen stellen und dürfen natürlich
keine Menschenrechte verletzen. In der DDR war die nicht
funktionierende Wirtschaft ein Tabu unter vielen. Bei uns ist das
Verhältnis von arm und reich und der Zins zwei kein unterdrücktes
Tabu, aber eben doch ein Tabu. Das Wohl der Wirtschaft geht immer mehr
vor dem Wohl der Menschen weltweit. Schaut nach Griechenland, Leute
werden nicht mehr operiert usw.

In unserer Demokratie denkt eine Mehrheit, der friedliche "Umsturz"
soll nur die Form eines Kreuzes haben alle vier Jahre und man darf
sich in der Politik engagieren und in der Zeitung und im Internet
vieles schreiben. Ob das reicht, wird die Zeit zeigen.

Aber viele Lauschangriffe, Bundestrojaner usw. sind schon so weit dass
ich heute wenn ich das Gefühl hätte (bitte den Konjunktiv beachten,
liebe Mitleser) mich gegen einen totalitären Staat wehren zu müssen,
friedlich - was für mich klar ist - das weder über Internet noch
Telefon machen würde.

Also auch dieses Grundrecht ist gefährdet.

Ich schweife ab:

3.

Die Identifizierbarkeit:

Was merkwürdig ist: Der Gesetzgeber und hinter ihm die Rechteindustrie
versucht - ähnlich wie in China - auf jeden Bürger durchzugreifen.
Weil das nicht geht, hat man ein Rechtsgut wieder eingeführt, dass
zuletzt die Nazis hatten: Die Sippenhaft = Störerhaftung. Man haftet
für andere wie in einer GbR. Richtige Beweise und Indizien sind nicht
mehr nötig. Bei einer Familie mit Minderjährigen mag das noch gehen,
bei erwachsenen Kinder nicht mehr. Hier ist auch die
Unschuldsvermutung und "Kein Urteil ohne Beweis" auch ausgehoben.

Ich denke wir haben nur noch ein Korsett an Demokratie, freilich eins
das im Moment noch hält, aber überall bröckelt. Konservative Politiker
bekommen immer die Mehrheiten durch Spielen auf dem Angstklavier
(Ungarn..), die Oppositionen sind immer zu vielfältig und verstritten,
und voilà.

</rant>

> Wie hoch schätzt Ihr die Gefahr ein, dass
> ein anonymes Netz mit allen erdenklichen Mitteln zu Fall gebracht wird,
> oder wie lange wird solch ein Netz bestand haben?

Ich denk oft drüber nach: Das Problem der Rechteindustrie lässt sich
technisch (denken die) nur mit der chinesischen Methode lösen: Jeder
Computer muss einem Menschen zugerodnet werden, und der kann vom Staat
haftbar gemacht werden. Insofern werden die tatsächlich solange am
Zaun rütteln bis sie verschwunden sind wie heute schon
Schreibmaschinenhersteller oder wir ein chinesisches Internet haben.

Dass sich menschliche, gesellschaftliche Probleme nicht technisch
sondern allenfalls durch öffentlichen Dialog lösen lassen, ist noch
keinem aufgefallen (auch oft uns nicht). Die DDR - "Politiker" dachten
ja auch jahrzehntelang es genügt eine "Methodik"
(Marxismus-Leninismus) ein für alle Mal anzuwenden und dann wird alles
gut. Die waren genauso dumm wie wenn wir heute denken Freiheit oder
die Durchsetzung der Urheberrechte lässt sich durch technische
Massnahmen sicherstellen.

Da es keine starke Bewegung gibt (noch nicht?) die Urheberproblematik
auf komplett neue Füsse zu stellen vermute ich wir werden die
chinesische Lösung bekommen, oder fast. Vielleicht kommt aus Schweden,
Norwegen die "helfende Hand" aus diesem Desaster, wir Deutschen sind
immer noch viel zu obrigkeitshörig. Und die Gesellschaft USA ist zur
Zeit vergiftet von religiösen Wahnsinnigen die die Republikaner
unterwandert haben (just my 2 cents). Und von einem jahrzehntelang
schlechten Bildungsangebot für die "Unterschichten" dumm gehalten.

Leider ist eine Bewegung wie die 68er, die das aufmischen könnten
bevor es zu spät ist nicht in Sicht. Oder noch nicht. Und die wurden
leider auch erst ernst genommen als der eine oder andere Pflasterstein
flog..

Meine Vermutung ist: bevor das richtig hochkocht, bricht die ganze
kapitalistische Wirtschaft zusammen (Zinsproblem, sieht auch kaum
jemand) und dann haben wir weltweit ganz andere Probleme. Das
Urheberrecht wird vermutlich sehr sehr lange nicht wirklich auf neue
Grundlagen gestellt werden.

Von der Erfindung des Buchdrucks bis zur Einschränkung der
Urheberrechte (Der Reclam-Verlag braccte einen Boom an Kultur da
plötzlich die Klassiker frei gedruckt werden durften) dauerte es ein
paar hundert Jahre..

-- 
Schönen Gruß
Andreas


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