[WLANtalk] Vorbereitung Workshop Dezentralität und Selbstverständnis

[Linus Lüssing]

On Sat, Jul 30, 2016 at 08:25:37PM +0200, Markus Schräder wrote:
> Umgekehrt könntest Du Dich eher mal dafür einsetzen Dinge zu ändern, als die
> Aufdeckung zu kritisieren.

Ich gestehe, ich gestehe! Jetzt ist es raus...

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Lange Zeit hatten wir ohne etwas böses zu ahnen einfach im
Uni-Keller an Mesh-Netzwerken gebastelt. Komplett unabhängig und frei.
Im Netz war damals das Projekt hier noch eine einfache Wikiseite auf
wiki.metameute.de/Freifunk.

Doch dann geschah es, der regnerische Abend aller Abende. Ein Abend, der
alles verändern sollte. Wir versuchten gerade simultan RSSI-Werte von
H.O.R.S.T. zu lesen, eine Richtfunkantenne gerade zu halten und mehr
schlecht als recht die Laptops mit einer Einkaufstüte trocken zu
halten. "Lass gut sein", sagte ich resigniert zu meinem Kollegen.
"Heute wird das mit dieser verflixten Mesh-Verbindung nichts mehr."

Gerade als wir anfingen einzupacken, hörte ich die Autoreifen, die
im Schotter hinter mir langsam zum stehen kamen. Verflixt, hat da
wieder ein Nachbar, der zu viele Hollywood Filme schaut, die Polizei
gerufen? Das da Hacker auf der Straße seien?

2009, keiner kannte hier Freifunk. Aber jeder hatte irgendwie
aus den Käseblättern, Rundfunk oder einfach von Verwandetn
aufgeschnappt, das da was mit dem WLAN unsicher sein könnte.
WEP kannte keiner, aber jeder meinte zu wissen, wie man einen
bösen Hacker erkenne. (wir hatten natürlich tatsächlich unsere
unvorteilhaften, durchnässten, schwarzen Hoddies an und die 20dBi
Gitter-Antennen waren bei 2.4GHz zugegebenermaßen aus optischen
Aspekten vermutlich nicht die subtilste Idee des Abends)


Gerade als ich mich schon auf eine halbstündige Erklärung
innerlich vorbereitet hatte, dass das alles vollkommen legal sei,
auch wenn's komisch aussehe und das wir doch die Guten seien, da
hörte ich nach dem Öffnen einer Fahrzeugtür kurzdarauf das
Aufklappgeräusch eines Regenschirms.

Nanu, Regenschirme bei der Polizei? Verduzt drehte ich mich um und
sah' mich einem großen Menschen im schwarzen Mantel, mit
schwarzen Lederhandschuchen gegenüber. In der einen Hand der
Regenschirm, mit der anderen hielt er eine Limousinentür auf.

"Sir, wir müssen Sie beide bitten, einzusteigen". Verduzt drehte
ich mich zu meinem Kollegen um. Der aber nur mit offenem
Mund regungslos da stand, seinen Laptop fest umklammernd.

Langsam und ungläubig beugte ich mich ein wenig vor, um einen
kleinen Blick in das Innere der dunkler Höhle zu wagen. Ich
musste ausgesehen haben, als ob ich jeden Moment den tödlichen
Satz eisen Tigers erwartet hätte.

Damals kannte ich diese Organisation noch nicht. Damals wusste ich
noch nicht, dass diese statt impulsiv, instinktiv, lieber in aller
Ruhe und sorgfalt, kühl und kalkuliert arbeitete. Das diese
Daumenschrauben lieber genüßlich zudrehte und die "Betonierarbeiten"
dem Holz- und Eisenwerkzeugen vorzug. Es ließ einfach weniger
Spuren zurück und erlaubte es, eine ärgerliche Session noch in Ruhe
mit einer Zigarre abzuschließen. Der letzte Strom an Deauth-Paketen,
das der Master für jenen Client ins Ether schickte, quasi.

Und da saß sie am anderen Ende der Höhle, mit ihrer dunklen
Sonnenbrille und einer Zigarre, mit der sie gerade aus dem Fenster
aschte. Den Kopf starr und ohne eine Miene verziehend weiter
gerade nach vorne gerichtet, uns scheinbar ignorierend.

"Sir, einsteigen."

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[Melancholische, langsame 70er Musik mit Geigen und Gesang, wie
aus einem Mafia-Film, setzt ein]

Wenige Tage später bekamen wir eine Subdomain. Und Zugang zu
exklusiven Parties in Berlin. Es war euphorisierend, betäubend.
Wir fühlten uns wie Götter im Olymp. Wir fühlten uns mächtig.
Die toxische Macht, mit der wir in den Hierarchien der Organisation
gefügig blieben...

Jetzt waren auch wir ein Zahnrad im tickenden Uhrwerk der
Organisation und ihren Machenschaften.

[Musik wird lauter; Abspann mit blubbernden Blasen aus der Spree,
einem Kofferraum der von schwarzen Handschuhen zugeklappt wird,
ein schwarzes Auto das mit Kennzeichen "HL-FF-2323" davon fährt]