[WLANtalk] Vorbereitung Workshop Dezentralität und Selbstverständnis

Marc-Andre Alpers m-a.a at mail.de
Sa Jul 23 12:20:34 CEST 2016


Moin!

Vieles ist doch aber Augenwischerei von den sogenannten Visionären. Um ein 
Netz zu erschaffen muss ja auch irgendwo die Hardware herkommen. Die wächst 
nicht auf Bäumen, sondern wird Industriell gefertigt. Dieser Fertiger möchte 
dafür nun mal Geld sehen, also sind wir schon wieder beim kommerziellen. Und 
auch die Ökos die meinen weil sie in einer Wagenburg leben und sich autark 
versorgen, tun das z.B. mit Solarzellen, die sie nicht selber gefertigt haben, 
sondern sich bei Elektronik Versender ihrer Wahl bestellt haben.

Am 23.07.2016 um 02:40 schrieb Martin Tippmann:

> Das ist doch alles politisch. Wo man auch stehen mag, man sollte wohl
> die Begriffe klären.
> Was ist für dich undemokratisch? Wie kann ich mir ein AS deklarieren
> ohne eine Organisation, ohne Strukturen oder alternativ Geld, dass mir
> erlaubt diese "Dienstleistung" einzukaufen.

Deklarieren kannst du alles. Aber wenn du bei den großen mitspielen willst, 
musst du deren Regeln akzeptieren. Wenn du am Straßenverkehr teilnehmen 
willst, musst du auch die Fertigkeiten mitbringen und die Regeln beachten. Ich 
sehe da keinen Unterschied.

> Deine Argumentation ist ist völlig korrekt, aber eben auch an die
> Prämissen geknüpft, die der Kapitalismus so vorgibt. Kostendeckung,
> Nutzer, Dienstleistung, Service.. ich möcht  gar keine Stellung
> beziehen, sondern nur darauf hinweisen, das viele Menschen im Freifunk
> eben diese Prämissen auch in Frage stellen und so absurd es klingen
> mag oder eben auch real momentan ist, ist es doch auch für mich ein
> Teil von Freifunk über den Tellerrand zu denken und einfach mal die
> für einen rationalen Kapitalisten absurde Parallelwelt versuchen
> aufzubauen oder sich wenigstens die Freheit vorzubehalten sie zu
> denken.

Von mir aus kann jeder alles in Frage stellen was er in Frage stellen möchte. 
Ich stelle in Frage das es eine Gesellschaft geben kann, in der es keine 
kommerziellen Interessen gibt bzw. das mir ein Bäcker immer Brot gibt und ich 
dafür nix zurück geben muss. In so einer Gesellschaft müsste jeder alle 
Fertigkeiten haben um überleben zu können. Habe ich nicht. Ich kann nicht 
Backen. Ich kann aber eine Dienstleistung anbieten und bekomme dafür Geld. Und 
mit diesem Geld kann ich dem Bäcker sein Brot abkaufen.

> Mal angenommen, man belächelt das nicht sondern sondern möchte dahin
> arbeiten, dann ist es doch schon eine andere Perspektive?

Hört auf zu träumen! Irgendjemand bezahlt immer irgendwo. Wenn ich Freifunk 
zur Verfügung stelle, dann kann ich das nur weil ich eine Ressource die ich 
vorher bezahlt habe anderen zur Verfügung stelle. Das ist einer der 
Kerngedanken beim Freifunk, und ich glaube nur dieser einer Gedanke, etwas zu 
teilen was sowieso vorhanden ist und das auch noch Rechtssicher für den der 
teilt, hat zu dem großen Wachstum von Freifunk geführt. Und diese Anzahl von 
Menschen die so denken sind Demokratisch gesehen mehr als diejenigen, ich 
nenne sie mal Kernies des Freifunks. Da können diese nun aufstehen und mit dem 
Fuß stampfen, aber sie haben nicht mehr die alleinige Deutungshoheit was 
Freifunk ausmacht.

> Du hast ganz schön viel Politik in deinem Post, ob bewusst oder
> unbewusst. Zu sagen, dass es keine Politik ist oder auch ideologiefrei
> ist halt die aktuelle Ideologie. Das heißt nicht, dass du im Unrecht
> bist in der Praxis, aber so eine Argumentation ist wie Scheuklappen
> und Freifunk ist groß genug um die auch mal ablegen zu können, wie
> absurd es für dich auch immer wirken mag. Wenn man eine Form des
> Dialoges und der Kommunikation findet ist es für alle wohl etwas
> gutes.

Freifunk kann viele Strömungen haben. Aber die Kernies wollen das ihre eine 
Ideologie die einzig Wahre sein soll. Ich sehe Freifunk da auch wesentlich 
breiter aufgestellt ist. Welche Dinge für mich bei Freifunk relevant sind, 
habe ich auch schon mehrfach hier und anderswo dargelegt. Für mich bedeutet 
Freifunk das es ein Mesh Netz bleiben soll. Das die Erweiterbarkeit einfach 
und unkompliziert für Knotenaufsteller sein soll. Das der Datenaustausch 
unzensiert erfolgt. Das Netzneutralität gegeben ist. Das die Technik die ein 
Freifunk Netz ausmacht dokumentiert und für jeden der technisch dazu in der 
Lage ist oder sich das Wissen aneignen will, und nicht muss, es nachvollziehen 
kann was in den Netzen passiert.

> Bäm, Bäm. Warum muss sich das denn wie auch immer "lohnen", warum
> sehen wir uns einer Konkurrenz zu kommerziellen Netzen? Lohnt es sich
> nicht für das Individium die Gedenken mal spulen zu lassen und und den
> Austausch zu suchen? Natürlich gibt es die Realität 2016, abe warum
> muss man sich da so dranpappen und andere Ideen bekämpfen? Warum
> müssen oder wollen wir überhaupt in eine vermeintliche Konkurrenz zu
> irgendwas treten? Ich glaube sowas ist in Genossenschaften oder auch
> GmbHs besser aufgehoben, in dieser Form kann man all diese Probleme
> lösen ohne Diskussionen und eben Konkurrenz sein zu den anderen.
> Vermutlich sogar eine bessere Konkurrenz die auch irgendwie besser
> ist, aber warum muss sich Freifunk als Idee den Schuh anziehen?

Jeder kennt das Video zu Freifunk in der Lisa etwas mit jemand anderem teilt. 
Um das zu können muss das Netzwerk leistungsfähig sein. Das Foto würde bei 
ihrem Kumpel nicht ankommen wenn das Netz schnarchlahm ist. Jeder ist daran 
gewöhnt das in heutige Netzen alles schnell geht. Die Zeiten wo wir uns mit 
56k bzw. 64k mit ISDN Daten schickten sind lange vorbei. Ich bekämpfe keine 
anderen Ideen, aber ich geben meinen Senf dazu wenn ich sie für Blödsinn 
halte. Und was ich für Blödsinn halte das darf ich ja noch selbst entscheiden, 
oder? Und wenn ich das Ziel habe das Netz meiner Freifunk Community so 
leistungsfähig zu machen wie es die Kommerziellen können, was ist daran 
verkehrt und wieso muss ich deswegen eine Genossenschaft oder GmbH gründen?

> Dann diskutiert man eben. Vielleicht macht man was falsch und
> vielleicht bringt die Diskussion was sinnvoles hervor. Letzlich
> missioniert du hier auch, halt für den Status Quo - ist doch schön,
> wenn jemand mal unbequem ist.

Wenn ich missioniere, dann mea culpa. Will ich nicht. Ich will aber nicht das 
die Leistungen der vielen Communitys geschmälert wird, nur weil sie ihren 
Focus mehr aus das Teilen und der Teilhabe gelegt haben und der Dienst 
"Internet Zugang" bei ihnen vorrangig ist, anstatt der Bau einer 
Infrastruktur. Wobei das grundsätzlich falsch ist, denn auch diese Netze 
bilden eine Infrastruktur und jeder kann darin Dienste anbieten wenn er denn will.

> Freifunk sollte der Spielplatz für Utopien und Ideen bleiben, der er
> IMHO ist. Wenn man Internet und ISP machen will, dann gründet ne GbR
> oder GmBH sagt inspired by Freifunk und habt Spass. Niemand - also ich
> zumindest nicht - hat ein Problem damit dass sich Leute
> professionalieren, dann ist alles was du sagst auch richtig und so...
> aber den Spielplatz schließen, weil man jetzt da seine GmbH machen
> will und überhaupt die anderen die Realität nicht so wahrnehmen und
> blöd sind ist IMHO die falsche Lösung.

Freifunk sollte vor allem funktionieren und da wo eine Freifunk SSID in der 
Luft ist hoffe ich das ich dort unkompliziert rein und ins Internet komme. 
Klar kann ein Community Netz auch mal stocken, aber Ziel von vielen ist halt, 
das Netz soll möglichst Störungsfrei funktionieren. Einige Communitys sind 
schon soweit das die Knoten die SSID ändern und somit hinweisen das dieser 
Knoten gerade keinen vollen (Internet) Service bieten kann.

> Ich hoffe du verstehst was ich meine, das ist nicht als Angriff
> gemeint sondern ich glaube das da wirklich Welten kollidieren und es
> keinen Dialog darüber gibt - deswegen gibt's so viel Ärger und Hass.
> Ich möchte auch gerne, dass das Netz 24/7 sauber läuft, die Technik
> rennt und man Telekom und Co. den Rang abtreten kann und die Leute
> happy sind. Aber da begibt man sich halt in eine Situation in der man
> als freiwilliges Non-Profit nur verlieren kann, wenn man es ernst
> meint. Das führt dann dazu, das Leute die wilde Ideen haben
> ausgegrenzt werden, weil sie der vermeintlichen kapitalistischen
> Realität entgegentreten mit ihren Ideen. Irgendwie müsst es da eine
> Lösung geben und meine Meinung ist, dass ein dezentral professioneller
> abgespalteter "Freifunk" mit GbR und Rechnungen für Betreiber und
> Kosten durchaus was gutes wäre, weil dann die Freiwilligen nicht
> ausgenutzt würden, andererseits wäre man halt ein weiterer
> Dienstleister am Markt mit direkter Konkurrenz zur Telekom oder wem
> auch immer - eine FIrma.

Ja Welten kollidieren. Diejenigen die vor zig Jahren den Freifunk kreiert 
haben und denen die in den ca. letzten 3 Jahren dazugekommen sind. Und wenn 
man mal in die Geschichte schaut, dann haben die "alten" Freifunk auch 
deswegen gegründet um Internet von der gut versorgten Straßenseite auf die 
andere zu bringen. Ich grenze niemanden aus, jedenfalls nicht bewusst. Aber 
ich darf mir doch ne Meinung dazu bilden was andere schreiben, oder nicht? 
Wenn ich Willis Ansätze für Blödsinn halte, dann darf ich das doch so sagen. 
Wenn andere dann meinen ich wäre blöde, dann ist das halt so.

> Diese zunehmende Vermischung dieser zwei Denken macht Freifunk grad
> ziemlich kaputt, ich hätt nix gegen eine professionelle non-profit GbR
> wo Leute auch gut dafür bezahlt werden, dass sie sich die Arbeit
> machen, aber ich möchte auch den anarchischen utopischen Ideengarten
> nicht missen der so im Freifunk Umfeld umherschwebt wo Leute halt
> weiter denken als Kapitalismus und 2016 und Marketing. Beides geht
> immer schwerer zusammen unter dem Label Freifunk.

Nein, dann wäre es kein Freifunk mehr wenn man das als GbR, GmbH oder sonst 
was aufzieht. Selbst Vereine werden ja kritisch gesehen. Ich habe auch nix 
gegen Ideen. Ich mag aber nicht wenn jemand daher kommt und sagt, wie ihr es 
macht ist alles falsch, ich habe die ultimative Idee und die müsst ihr jetzt 
umsetzen. Vor allem wenns nur Ideen sind und noch keine funktionsfähige 
Implementation in Hard- und Software gegossen. Ich habe auch viele Ideen im 
Kopf, belaste meine Umwelt damit aber nicht weil ich diese nicht selber 
umsetzen bzw. funktionsfähige Implementationen liefern kann.

-- 
Mit freundlichen Grüßen
Marc-Andre Alpers

Wenn Du meinst, Privatsphäre ist egal, nur weil Du nichts zu verbergen hast, 
kannst Du genauso behaupten, Redefreiheit ist egal, nur weil Du nichts zu 
Sagen hast! - Edward Snowden

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