[WLANtalk] Störerhaftung: Rechtsgutachten zu innerdeutschem Exit via X e. V.?

Christoph Franzen Christoph.Franzen at googlemail.com
Do Okt 16 22:44:48 CEST 2014


Am Thu, 16 Oct 2014 20:18:26 +0200 schrieb Daniel Paufler
<dpaufler at leo34.net>:
> On 16/10/14 07:14, Tobias Hachmer wrote:
> > On 10/15/2014 07:02 PM, Juergen Neumann wrote:

Hallo,

> >> Es gibt für ISPs keine Störerhaftung. Diese Fallen unter das 
> >> Providerprivileg. Auch ein gemeinnütziger und nicht kommerzieller
> >> Verein kann Provider werden.

> > Dazu habe ich noch eine Frage:
> > 
> > 1. Ab wann gilt denn eine Freifunk Community als Provider? -
> > Meldung bei der BNetzA? - RIPE Mitglied wie Rheinland e.V.? -
> > Reicht ein eigenes AS?
> 
> Wenn eine rechtliche Entität sich als ISP bei der BNetzA registriert.
> Als private Person oder loser Haufen von Leuten geht das nicht, darum
> e.V.

FALSCH! Das denken immer alle, ist aber keineswegs so. Immer dieses
naturwissenschaftliche Ursache-Wirkungs-Denken, sowas interessiert
Juristen doch nur am Rande…

Im Gesetz steht sinngemäß, „Provider“ werde man, indem man „providet“.
Eingeschränkt im Sinne der Störerhaftung haben das die Gerichte.

In KEINEM Gesetz steht hingegen, daß man dafür irgendwo eingetragen sein
müsse, noch, daß eine BNetzA-Eintragung eine hinreichende Bedingung
wäre, also wenn man da erstmal eingetragen wäre, wäre man auf jeden Fall
Provider.

Was wir haben wollen, ist das „Providerprivileg“, das bekommen wir im
Grunde schon dadurch, daß wir Freifunk machen. Was wir auch wollen,
ist, daß das nicht durch die Störerhafung hinterrücks
wieder kaputtgemacht wird.

Die BNetzA hat aber selber darauf hingewiesen, daß eine Eintragung an
sich noch keinen Schutz vor der Störerhaftung bringt.

Rechtlich sonnenklar ist nur: wer „richtig gegen Geld“ Internetzugang
bietet, also im wesentlichen die klassischen kommerziellen Provider,
MUSS sich da eintragen lassen und genießt auch das Providerprivileg,
ist also von der Störerhaftung befreit.

Es gibt 4 denkbare Fälle:

1) In der Liste stehen, und nicht der Störerhaftung unterliegen.
Beispiel: kommerzielle Provider, allen voran die Telekom

2) In der Liste stehen, aber trotzdem der Störerhaftung unterliegen.
Den Fall hat es wohl noch nicht gegeben, aber es könnte einem Gericht
einfach egal sein, ob man da drinsteht, weil ja irgendwann mal ein
Gastronom erfolgreich abgemahnt worden und der aktuelle Fall analog zu
betrachten sei.

3) Nicht in der Liste stehen, aber trotzdem nicht der Störerhaftung
unterliegen.
Beispiel: Freifunkverein, der sich vor Gericht auf das Providerprivileg
beruft und das so durchficht.
Man darf den Fall nicht verwechseln mit Privatpersonen, die Recht
bekommen haben, etwa weil sie ihre Pflichten nicht vernachlässigt
haben. Bei denen bleibt nämlich die Störerhaftung im Prinzip bestehen,
greift nur nicht, weil eine Totalüberwachung unzumutbar wäre.

4) Nicht in der Liste stehen und der Störerhaftung unterliegen.
Beispiel: Privatpersonen, die vergeblich versuchen, ihr Netz vor
unbefugter Nutzung zu schützen, dabei womöglich berechtigte Mitnutzer
haben, die nicht „aufgeklärt“ wurden.

Da eingetragen zu sein, ist also ein Indiz dafür, daß man Provider
ist, mehr nicht.

Bei einem Freifunkverein kommt noch ein Mosaiksteinchen hinzu: man
bietet anderen Internetzugang, das ist sozusagen der Sinn des Handelns
(auch wenn es nicht nur ums Internet geht, sondern allgemein um freie
Kommunikation).

Das kommerzielle Interesse wiederum ist etwas, das einerseits die
Eintragungspflicht in die Providerliste triggert, andererseits von
manchen Gerichten als Quasi-Voraussetzung für das Providerprivileg
gesehen worden ist. Daran mangelt es beim Verein aber nun mal
genauso, wie bei Privatpersonen, aber diese Auffassung ist logisch
gesehen Quatsch, es deutet auch darauf hin daß die sich nicht hält,
wenn sie nicht durch ein Gesetz „fehlgeklärt“ wird.

Sich da eintragen zu lassen ist einerseits gut: man macht klar, daß man
sich als Provider begreift und das die Absicht ist. Es ist die bessere
Verteidigungsstrategie, Prüfpflichten generell abzulehnen, als beweisen
zu wollen, daß die Maßnahmen ausreichend waren, wie das fast alle
Abmahnopfer tun.

Andererseits kann so ein offizielles Bekenntnis wieder nach hinten
losgehen, wenn wir an die Vorratsdatenspeicherung und die Pflicht
denken, Abhöranlagen einzubauen.

Provider müssen je nachdem Daten herausgeben, die sie haben. Da
beim Freifunk keine erhoben und gespeichert werden, geht das rein
praktisch nicht. In Zukunft mit IPv6 wird es jedoch tendentiell wieder
leichter möglich, bestimmte Endgeräte zu identifizieren, damit könnte
man dann doch wieder den „Router-Aufsteller“ ermitteln, der dann
vielleicht doch wieder der Störerhaftung unterliegen könnte.

Es gibt also nur zwei Lösungen:

A) Genügend (möglichst hochinstanzliche) Gerichtsurteile erstreiten,
daß auch Freifunk von der Störerhaftung ausgenommen wird,
bitteschön unabhängig vom Vereinsstatus oder kommerziellen
Randbedingungen.

B) Eine klare gesetzliche Regelung im obigen Sinne, die aber keine neue
Hintertür für anderslautende Urteile öffnet.

Gabriels blöde Idee, die einerseits in erster Linie kommerzielle
Interessen schützt, also Leute, die indirekt mit Freifunk Geld
verdienen, nicht aber rein selbstlose Interessen, sowie dann auch noch
das „Geschäftsmodell Urheberrrechtsverletzung“ auszunehmen, paßt also
nicht.

Vergeßt das einfach mit der absoluten rechtlichen Sicherheit, es gibt
keine Zauber-Amulette gegen Störerhaftung.

Ich persönlich verlasse mich darauf, daß die Gegner es ganz einfach
nicht wagen, sich mit Freifunkern anzulegen, wir sind doch
eher „undankbare“ Gegner, gegen die man auch bei großer finanzieller
Überlegenheit und Durchhaltewillen verlieren kann.

Deswegen bin ich auch dafür, das „Erstinstallationsprotokoll“, das beim
Freifunk Rheinland e.V. für die „Operation Störerhaftung“ erfunden
worden ist, weiterzuverwenden: es schafft sozusagen Zeugen, daß ab
Zeitpunkt X ein Router ein Freifunkrouter unter dem Dach des Vereins Y
gewesen ist. Kommt also ein Abmahner mit einer
Urheberrechtsverletzung zum Zeitpunkt Z > X daher, hat man auch dann
noch gute Karten, wenn die VPN-Technik versagt oder
„kaputtkonfiguriert“ worden oder es auf andere Weise gelungen ist, die
„Internetspender-Privatperson“ ausfindig zu machen, aber auf mich hört
ja niemand.

-- 
Christoph Franzen
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