[WLANnews] Unterwegs im öffentlichen WLAN – aber gut geschützt

Christoph Franzen freifunk at alte-pflasterei.de
Fr Okt 2 05:55:28 CEST 2015


Am Thu, 1 Oct 2015 00:26:24 +0200 schrieb Allan Wegan
<allanwegan at allanwegan.de>:

Hallo,

jetzt muß ich doch mal des Teufels Anwalt spielen.

> > Jemand sollte dem Ministerium für Bundesangelegenheiten, Europa und
> > Medien in NRW mal sagen das es nach dem neuen Gesetzentwurf kein
> > Öffentliches wlan gibt.
> > Öffentlich --> Frei zugänglicher Raum

In deren Weltbild sieht man das nicht ganz so dogmatisch, da sind auch
die werbeverseuchten Innenstadt-Zugänge, die nach einer halben Stunde
wieder zugehen, „öffentlich“ (da mußt Du dann demnächst
„wegklicken“, daß Du nicht böse bist und zustimmen, daß Deine
MAC-Adresse gespeichert wird oder so ähnlich) und solche, in die Du nach
Anmeldung reindarfst. In öffentlichen Gebäuden gibt es ja auch Pförtner.

> > In dem Gesetzentwurf steht was von Berechtigten und Unberechtigten
> > Nutzern.
> 
> Ist doch ganz einfach:
> Berechtigte Nutzer = Alle; unberechtigte Nutzer = leere Menge.
> Dafür zu sorgen, dass kein unberechtigter Nutzer Zugriff hat, sollte
> dann nicht mehr so schwer sein...

Ja, so würde ich auch argumentieren, aber das wird problematischer, als
es zunächst den Anschein hat. Erstmal fragt sich $POLITIKER jetzt,
worüber wir uns in den ganzen Computer-Vereinen alle so aufregen, wenn
die gute, neue Regelung uns doch gar nicht betrifft.

Das mit der Störerhaftung geht dann nämlich demnächst so:

Der gegnerische Anwalt erfindet eine neue Menge, die der
„Netz-Mißbraucher und Verbrecher“. Daß die nicht leer ist, wurde
bereits durch den Nachweis einer real existierenden
Urheberrechtsverletzung, nämlich der hier konkret abgemahnten, bewiesen.

Diese, so wird argumentiert, sei in unserem Fall dann genau die vom
Gesetzgeber gemeinte Menge der „unberechtigten Dritten“. Die darf gerne
noch mehr Personen umfassen, aber die Rechtsbrecher müssen ja
wohl per definitionem mindestens drin sein.

Jetzt hast Du 2 Möglichkeiten:

1) Du gibst zu, daß man jenen Personenkreis eigentlich nicht im Netz
haben will: => Menge doch nicht leer, aber „zumutbare“ Maßnahmen nicht
ergriffen => Störerhaftungsschutz verwirkt.

2) Du bestehst weiterhin darauf, daß auch diese Menschen das Netz
frei nutzen können sollen und Du aus $GRÜNDEN keine Zugangskontrollen
einrichten willst.

Das kann dann ja wohl nur eines von zwei Motiven haben:

A) $GRÜNDE sind nur vorgeschoben, tatsächlich bist Du zu faul/zu geizig,
um die vom Gesetzgeber für zumutbar gehaltenen Maßnahmen zu ergreifen.
Wenn jemandem, der von sich aus den Kreis der Berechtigten einschränkt,
eine bestimmte Maßnahme zumutbar ist, um Unberechtigte abzuweisen, dann
ist sie auch Dir zumutbar, der Du zunächst einmal niemanden
ausschließen willst – aber Rechtsbrecher schließen sich ja selber aus,
insofern ist Deine Menge jetzt eben nicht mehr leer, weil sich einer
freiwillig reinbegeben hat. Wenn Du WILLST, daß ein Rechtsbrecher Deine
Dienste für sein Tun mißbrauchen kann, tritt der folgende Punkt B) in
Kraft.

B) $GRÜNDE sind reine Schutzbehauptungen, in Wirklichkeit willst Du in
der Anonymität Deines selbstgeschaffenen kontrollfreien Netzzugangs
selbst Urheberrechstverletzungen begehen oder dies anderen ermöglichen.
Damit wären wir beim „Geschäftsmodell Urheberrechstverletzung“, das ja
aus gutem Grund in Zukunft von jeglicher Privilegierung ausgeschlossen
werden soll.

Effektiv bekommst Du also von $ROBENTRÄGER den Urheberrechtsverletzer,
wegen dessen Tat Du abgemahnt wirst, in Deine leere Menge
reindefiniert, ob Du willst oder nicht.

Du glaubst mir nicht und hältst das für Verfolgungswahn? Die Geschichte
gibt mir recht. Ein Blick ins TMG genügt doch eigentlich, um
zweifelsfrei festzustellen, daß wer „provided“ ein „Provider“ ist und
demnach das entsprechende Privileg genießen müßte. Sämtliche
erfolgreichen Abmahnungen und Klagen in diesem Bereich sind auf
ähnlichen Argumentationen „von hinten durch die Brust ins Auge“
aufgebaut.

Is doch ganz einfach durch Politikers rosarote Brille betrachtet: wenn
Du vor der Störerhaftung gefeit sein willst, mach' es so wie die
Telekom, nur eben ohne Bezahlung – scheinbares Problem perfekt gelöst.

Ähnliche Argumentationketten blühen uns dann auch noch, wenn die
erstmal IPv6 verstanden haben und es fürderhin für zumutbar halten, die
Router per Präfix/MAC-generierter Adresse eindeutig identifizierbar zu
machen. Dann hat man wieder individuelle Abmahnopfer und keinen starken
Verein am Hals.

Wenn das also so Gesetz wird, brauchen wir bestenfalls wieder Jahre,
um eine sinnvolle Rechtsprechung zu erkämpfen, schlimmstenfalls wird die
absurde Auffassung gefestigt und zur „Herrschenden Meinung“.

Viele Grüße, Christoph
-------------- nächster Teil --------------
Ein Dateianhang mit Binärdaten wurde abgetrennt...
Dateiname   : signature.asc
Dateityp    : application/pgp-signature
Dateigröße  : 819 bytes
Beschreibung: nicht verfügbar
URL         : <http://lists.freifunk.net/pipermail/wlannews-freifunk.net/attachments/20151002/8826b209/attachment.sig>


Mehr Informationen über die Mailingliste WLANnews