[WLANnews] Antennengewinn, effektive Sendeleistungen und überhaupt

elektra onelektra at gmx.net
So Apr 12 15:40:42 CEST 2015


Hi!

Es werden immer wieder die abenteuerlichsten Annahmen über die effektive Sendeleistung vertreten.

1./ Antennengewinn macht die Sendeleistung größer.

Wer das glaubt, glaubt auch, dass Zitronenfalter... na, ihr wisst schon. Wirklich gesendet wird prinzipiell immer mit weniger Leistung als aus dem hübschen Gerätchen kommt. Durch die Richtwirkung wird die Energie in die Vorzugsrichtung gebündelt, dass sie in der Hauptkeule so erscheint, als würde ein viel leistungsfähigerer Sender in alle Richtungen strahlen. Warum die Regulierer auf die Idee kamen, das zu beschränken entzieht sich meines Verständnisses. 

Zum Ersten wäre da der Antennenwirkungsgrad – etwas, von dem ich in Foren so gut wie nie etwas lese. Wer hat davon schon mal was gehört? Hand hoch. Also: Aus der Antenne geht stehts weniger hinaus, als hinein geht. In die Antenne geht ausserdem immer weniger rein, als aus dem Sender kommt. Immer. 

http://de.wikipedia.org/wiki/Antennengewinn#Antennenwirkungsgrad

Das liegt zum einen am ohmschen Widerstand des aktiven Strahlers. Und weiter: Auch wenn ihr eine 3 Meter Parabolantenne aufstellt, kommt da immer noch weniger heraus, als nach Abzug von Verlusten im Dielektrikum des Kabels, dem ohmschen Verlustwiderstand des Leiters, Steckverbindern, dem Verlustwiderstand des aktiven Strahlers herauskommt reingeht. 

Richtantennen mit großem Gewinn arbeiten i.d.R. mit Reflektoren. Das passt aber nur, wenn die Energie des aktiven Strahlers (z.B. Dipol im Feeder) tatsächlich auf den Reflektor trifft und von dort in die richtige Richtung reflektiert wird. Auch hier geht vieles daneben und landet gar nicht in der Strahlungskeule.

Unter ferner liefen gibt es da noch die Stehwelle. Das ist der Teil der Sendeenergie, der sich gar nicht in Eure Antenne verirrt, sondern als Mantelwellen auf dem Kabel zum Sender zurück läuft. Also: Seid froh, glücklich und preiset Heinrich Hertz, wenn 60% Eurer Sendeenergie überhaupt ungefähr in die Richtung abgestrahlt wird, in die Ihr Euch das wünscht. Wenn Ihr das schafft, seid Ihr verdammt pfiffig. Rechnet mal vorsichtig mit 2 dB Verlust alleine in Kabeln und Steckverbindern - das sind bereits schlappe 63% Verlust. Von Euren 100mW kommen 37 mW an der Antenne an. Vielleicht 30 mW gehen in den Raum. Der Rest geht sonstwo hin und heizt am Ende die Atmosphäre.

=> Der Antennengewinn wird (hoffentlich ehrlich) angegeben, nach Abzug aller Verluste. 

2./ Ab hier bitte sofort das Gerät ausschalten oder einfach weiterzappen...

Ich hatte die Gelegenheit mit Vic Hayes über "effektiv abgestrahlte Sendeleistung" bei einer Konferenz in den Niederlanden zu diskutieren - also über EIRP und Antennengewinn. Vic Hayes hat an der Universität Delft den WLAN Standard 802.11 mitentwickelt und gilt manchen Leuten als "Vater von WiFi". http://en.wikipedia.org/wiki/Vic_Hayes Ausserdem hat er bei der ITU mitgewirkt. Das sind die Leute, die sich auf internationaler Ebene u.a. ausgedacht haben, dass man nicht zuviel Antennengewinn haben darf. Ich habe meine Zweifel an der Sinnhaftigkeit dieser Beschränkung geäußert und das auch begründet.

Seine Erklärung war: Wir möchten nicht, dass sich Anwender auf große Entfernung stören. Meine Erwiderung war: Das tun sie nicht. Die Sendeenergie wird auch durch gigantische Antennen nicht größer, sondern kleiner. Siehe oben. Statt die Energie in alle Richtungen zu verplätschern kommt sie nach Abzug aller Verluste dahin, wo sie soll. Und: In dieser Vorzugsrichtung höre ich mit meiner großen Antenne auch sehr gut, ich kann also den Medienzugriff mit denen koordinieren, die in meiner Hauptkeule liegen, auch wenn die gar keine so tollen Antennen haben. Mein WLAN kann also nicht nur in eine Richtung lauter sprechen ohne meine nähere Umgebung zu stören, sondern es hat auch riesige Ohren. Das 802.11 Protokoll regelt, dass man sich kooperativ verhält.

Es war eine fruchtbare Diskussion. Vic ist IMHO ein ruhiger, intelligenter und freundlicher Mann ohne Egofilm, für den plausible technische Argumente zählen. Gebracht hat die Diskussion trotzdem nichts, weil er längst in Rente ist. 

Kurz gesagt: Diese Regelung ist unsinnig, aber wir werden sie nicht so leicht wieder los. Sendeleistung am Ausgang des Senders beschränken, das ist OK. Was passiert, wenn jeder einen Verstärker an sein WLAN schaltet, weil der Anwender von Antennen und deren Ausrichtung keine Ahnung hat, kann man in Entwicklungsländern sehen. Dort geht es zu wie beim CB-Funk. Die Bänder sind zu - nichts geht mehr, weil jeder einen mächtigen Verstärker hat. Mit einem normalen WLAN ohne Oma kommt man kaum über eine Strasse.

Die Konsequenz: Wir haben eine unsinnige Beschränkung in der Welt. Viele Leute mit Sachverstand halten sich nicht daran. Einige Leute ohne Sachverstand schliessen einen Verstärker an eine Mega-Antenne, die im Winde hin und herschaukelt. Andere bestehen auf der sklavischen Einhaltung von unsinnigen Beschränkungen. Dabei geht es um Gehorsam IMHO, nicht um Sachverstand.

Gruß,
Elektra







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