[WLANnews] Freifunk Leipzig in der Lokal-Presse

Ufo ufo at leipzig.freifunk.net
So Sep 28 19:15:04 CEST 2014


Hier mal zur Dokumentation der vollständige Artikel:
http://volltext.nochweiter.de/20/baut-ein-netz/


Wie zwei arbeitslose Nerds und zig Freiwillige verwirklichen, was die 
Stadtverwaltung nicht hinbekommt

Baut ein Netz!
Es gibt Städte, die sind weiter. Stadtverwaltungen, die verstanden 
haben, dass frei zugängliches Internet ein Standortfaktor ist. Sogar 
Berlins Bürgermeister denkt laut über ein offenes WLAN nach. In Leipzig 
hat die Stadt kein Geld, stadteigene Firmen wollen nicht einspringen. 
Zum Glück gibt es Graswurzel-Alternativen.
Es wäre richtig nötig.
Ohne Zugang zum Internet können viele Menschen nicht mehr. Sei es um für 
die Uni, Schule oder Beruf zu recherchieren. Oder um einzukaufen oder zu 
arbeiten – oder um in sozialen Netzwerken Zeit zu verschwenden. Welcher 
Mix von Bedürfnissen auch immer dafür verantwortlich ist, 67 Prozent der 
Deutschen haben Internetzugang, eine Mehrheit braucht es also 
(http://bit.ly/d6qvmz).
Blöd nur, das ausgerechnet in Leipzigs Vierteln, die bei jungen, 
studierenden Menschen am beliebtesten sind, teilweise die Brot-und 
Butter-Internettechnologie der 2000er, das DSL, nicht verfügbar war. In 
manchen Gegenden hat sich dies mittlerweile erledigt, aber gerade im 
hippen Südraum fehlt es noch arg. Der Hilferuf eines Stadtrats („Leipzig 
versinkt vielerorts noch im digitalen Nirvana. Noch immer gibt es in 
Leipzig ganze Stadtteile ohne schnelles Internet“) vergangenes Jahr ist 
einer von vielen, und nach wie vor aktuell.
Freifunk to the Rescue
Etwas Linderung schafft Freifunk. Das dezentral betriebene frei nutzbare 
Riesen-Drahtlosnetzwerk, das sich über weite Teile der Südvorstadt und 
die Viertel im Südwesten erstreckt, ist dabei nicht nur Infrastruktur, 
sondern auch ein wenig soziale Utopie. Über die Website erfährt der 
Teilnahmewillige, wie er einen handelsüblichen WLAN-Router so 
manipuliert, dass er sich nahtlos und drahtlos in das Netz einbindet. 
Mit jedem Teilnehmer wird das Netz größer oder, wenn ein zusätzlicher 
Zugangspunkt in bereits erschlossenem Gebiet dazukommt, robuster.
Freifunk ist eine Idee aus Berlin, aus dem Umfeld des Chaos Computer 
Clubs, so der Freifunk-Aktivist Micha. „Danach haben viele Leute aus 
anderen Städten angefangen, sich an dem Projekt zu beteiligen.“ So 
entstanden die Netzwerke in Leipzig und Halle, letzteres hatte Micha, 
der seit einiger Zeit in Leipzig lebt, mit initiiert.
Die Firmware, quasi das Betriebssystem des Routers, basiert auf der von 
einer überregionalen Gruppe ständig weiterentwickelten OpenWRT. Die 
Freifunker passen diese dann für die jeweilige Stadt an.
Nutzer, die einen Router besitzen, auf den man diese Freifunk-Firmware 
aufspielen kann, laden sie sich von der Freifunk-Website und 
installieren sie. Das ist teilweise nicht ganz einfach – dafür gibt es 
aber, wenn die Anleitungen auf der Website nicht reichen, ein meist 
wöchentliches Treffen im Sublab (Westwerk, Karl-Heine-Straße 93). Leider 
kann man bisher nirgends fertig vorkonfigurierte Freifunk-Router 
erstehen. Das macht es natürlich für nicht ganz so Technik-Affine, die 
mitmachen wollen, ohne zu wöchentlichen Treffen zu gehen, etwas schwieriger.
Durch die schon vorhandene Netzabdeckung gewinnt Freifunk fast täglich 
neue Nutzer, sagt Micha. „Die Leute, die mit dem iPhone durch die 
Südvorstadt und Connewitz rennen, haben es ja vor ihrer Nase.“ Schwierig 
werde es, wenn die Leute in größerer Anzahl auch zu Hause statt ihres 
gewohnten Anbieters Freifunk nutzen. Der Kuchen der Bandbreite teilt 
sich durch mehr Nutzer, die keine Bandbreite beisteuern, natürlich in 
kleinere Stückchen. „Freifunk ist kein Internet-Provider – und will es 
auch nicht sein“, so Micha.
Die Datenströme verlassen Freifunk bei Bedarf in Richtung Internet über 
die Netzwerkanbindung, die jeweils im Netzwerk nächstgelegenen 
Internetanschluss, also zum Beispiel die DSL-Leitung eines der 
Teilnehmer zwei Straßen weiter. Somit kann das Netzwerk nur so schnell 
sein, wie es von den beteiligten Leuten vor Ort betrieben wird.
Das Projekt selbst wird getragen von einer losen Verbindung Engagierter, 
bewegt von der Vision eines freien, dezentralen Netzes. Das skaliert, 
wie Eingeweihte sagen, also auch noch funktioniert, wenn sich die Zahl 
der Teilnehmer rasant steigern sollte. In das jeder aufgenommen wird, 
nicht nur der, der die teils mehr als 30 Euro für eine Dsl-Leitung oder 
etwas vergleichbares übrig hat. Momentan gibt es im Leipziger 
Stadtgebiet 361 solcher „Nodes“ – mit leichten Schwankungen.
Ein Problem ist, dass Freifunk mehr Nutzer als Beitragende hat, und sich 
die Geschwindigkeit teilweise in engen Grenzen hält. Das könnte man 
verbessern, indem mehr Nutzer sich selbst einen Freifunk-Router in die 
Wohnung stellen und ihre Internetleitung zur Verfügung stellen. Aber 
auch, indem Firmen, die Stadtverwaltung oder Hochschulen teilnehmen. 
„Natürlich wäre eine Zusammenarbeit zur Verbesserung der Netzabdeckung 
ein Anfang“, meint Micha. Er fände es auch an der Zeit, dass die Stadt 
Leipzig ein Bewusstsein dafür entwickelt, bereits ein Bürgernetz zu 
haben. „Schön wäre es, wenn die Stadt das Freifunk-Netz als markanten 
Faktor für das Stadtbild wahrnehmen würde. Und dieses auch fördern würde.“
Freifunk-Leipzig-Gründungsmitglied Matthias (Dipl.-Ing. und derzeit 
arbeitslos) geht weiter: „Wir träumen eigentlich davon, an jeder 
Straßenbahnhaltestelle zwei Freifunk-Knoten zu installieren und die über 
das LVB-Netz zu koppeln.“
Auch Micha (derzeit selbständig mit Hartz IV-Unterstützung) ist mit dem 
Ausbau des Freifunk-Netzwerks nur  „semi-zufrieden“ – das läge unter 
anderem an den Ressourcen Zeit und Geld.
Unbill droht von der juristischen Seite – im Mai entschied der 
Bundesgerichtshof, dass WLAN-Betreiber, die anonyme Dritte ihren 
Anschluss benutzen lassen, auf Unterlassung verklagt werden können, 
sollte der Anschluss für Urheberrechtsverletzungen benutzt werden 
(http://bit.ly/b1T8cf). Allerdings bezieht sich das Urteil auf eine 
Privatperson, die ihr Netzwerk unabsichtlich nicht geschützt hatte. 
Freifunk wiederum ist ein Netzwerk aus vielen Menschen, die ihre 
Netzwerke absichtlich freigeben. Und sogenannte Geschäftsmodelle, seien 
sie nun kommerzieller Natur oder nicht, schützt der Bundesgerichtshof in 
seinem Urteil ausdrücklich.
Alternative: Kommunales Netzwerk?
Guter Internetzugang ist ein Standortfaktor. Internet ist Infrastruktur. 
Freier Internetzugang für alle würde die Spaltung der Gesellschaft in 
diejenigen, die sich Breitbandverträge leisten können und jene, denen 
dies zu teuer ist bzw. die wegen ihrer Zahlungsmoral in der 
Vergangenheit bei den Telekommunikationsanbietern keine Verträge 
bekommen, mildern. Klingt nach Daseinsvorsorge (http://bit.ly/cN7mGJ) – 
wenn auch einer neuen, für Verwaltungsbeamte eventuell ungewohnten.
Nebenbei könnte die Stadt und auch ihre Beteiligungsfirmen mittelfristig 
ein solches Netzwerk nutzen, um die Straßenbeleuchtung zu steuern, 
Meßdaten zu übertragen oder schlicht mit den Bürgern in Kontakt zu treten.
Warum also baut die Stadtverwaltung nicht ein den Bürgern frei 
zugängliches Drahtlosnetz über das Stadtgebiet auf? Aus Kostengründen.
„In der Vergangenheit (zuletzt vor zwei bis drei Jahren) gab es 
verschiedentlich Untersuchungen zur Umsetzbarkeit eines solchen 
Vorhabens gemeinsam mit externen Partnern (bspw. HL Komm). Im Ergebnis 
dieser Untersuchungen musste freilich festgestellt werden, dass ein 
entsprechendes Projekt aus wirtschaftlichen Gründen nicht zu 
verwirklichen war“, lässt die Stadtverwaltung mitteilen.
Dabei mangelt es nicht an Infrastruktur. HL Komm, unter anderem ein 
Anbieter von Standleitungen mit hohem Datendurchsatz für Firmen, ist 
eine Tochter der Stadtwerke, ist eine Tochter der Stadt. Aber: Auf die 
dahingehende Weiter-Anfrage kommt die kurze und bündige Antwort: „Die HL 
Komm beteiligt sich nicht daran, ein stadtweites bzw. innenstadtweites 
Wlan aufzubauen.“
Auch von anderswo könnten durchaus Ressourcen beigesteuert werden:  In 
vielen Hochschul-Liegenschaften sind Access Points verbaut – der Luxus 
dieser recht schnellen Verbindungen kommt allerdings nur registrierten 
Studenten zugute.  Weder die Uni noch die HTWK wollen sich dazu genau 
äußern, aber in beiden Institutionen laufen nach Weiter-Informationen 
hunderte Zugangspunkte, wie deren Immobilien aufs Stadtgebiet verstreut.
Solcherlei Vernetzung ist kein Wolkenkuckucksheim – die finnische Stadt 
Oulu, mit 140 000 Einwohnern für skandinavische Verhältnisse eine 
Großstadt, zögerte nicht allzusehr. In einem gemeinsamen Kraftakt von 
Stadtverwaltung, Universität und der örtlichen FH entstanden 900 
Einwahlpunkte, die nicht nur das Stadtzentrum und den Campus abdecken, 
sondern auch den Flughafen und die Fähren zu einer vorgelagerten Insel 
in der Ostsee. Der Dienst beschränkt sich auf das Web, Emails und ein 
paar zusätzliche Dienste, damit der Dienst unter datenintensiveren 
Anwendungen nicht in die Knie geht.
Und auch Firmen könnten helfen – die Stadt Mountain View, nebenbei Sitz 
des Internetkonzerns Google, wurde von ebenjener Firma mit 500 
Zugangspunkten bedacht, die auf einer Art Fahnenmast angebracht sind, 
und somit die etwas über 30 Quadtratkilometer mit 95 Prozent 
Netzabdeckung beglücken. Zufällig sind die Leipziger Stadtbezirke Mitte 
und Süd zusammen ebenso groß.
Aber an wen müsste sich der Wirtschaftsbürgermeister Uwe Albrecht 
wenden, wenn er diese naheliegende Synergie heben wollen würde? An den 
bundesweiten „Förderverein Freie Netze e.V.“, in dem auch die Leipziger 
Freufunker organisiert sind.
Wir haben es ausprobiert, unweit des Connewitzer Kreuzes: Gratis online 
sein auf der Parkbank in Leipzig  –
es geht.  Leider noch nicht überall.


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