[WLANnews] Providerselbstjustiz und Leistungs-Metriken (Was: Re: Bitte um Feedback: Freifunk als Thema im Bundestagsausschuss Digitale Agenda)

Philipp Borgers borgers at mi.fu-berlin.de
Do Nov 12 03:07:21 CET 2015


On Thu, Nov 12, 2015 at 01:27:44AM +0100, Allan Wegan wrote:
> >> Dass Pakete ankommen, sollte TCP sicherstellen, so lange die
> >> Verbindung nicht vollständig abbricht.
> > Es gibt so viel mehr als nur TCP im Netzverkehr ;)
> 
> Klar. Ändert nichts daran, dass mit Packetloss immer zu rechnen ist und
> ma ein passendes Protokoll wählen sollte, wenn ma sich nicht selbst um
> Retransmits kümmern will. Es ändert auch nichts daran, dass nicht das
> Netz schuld ist, wenn beispielsweise irgendwem seine Wohnung
> überschwemmt wird, weil da jemand nen WLAN-Pflanzengießautomat gebastelt
> hat, der seine Stop-Anweisung von nem WLAN-Feuchtesensor bekommt, der
> aber grad offline ist, weil das Freifunk-Netz grade Schluckauf hat.
> 
> Freifunk ist ein Best-Effort-Netz. Es gibt Bemühungen, eine gute
> Verfügbarkeit, hohen Datendurchsatz und niedrige Latenzen zu liefern -
> garantiert ist aber nicht einmal die Verfügbarkeit an sich. Wer
> Garantien braucht, ist schlicht falsch bei Freifunk. Da möge ma sich an
> einen Kommerziellen Anbieter mit SLA wenden (obacht: Die lassen sich das
> bezahlen).

Die SLAs anderer sollen meine Freiheit, z.B. nichts zu tun, nicht einschränken.
Trotzdem kann es in freier Infrastruktur SLAs geben. SLAs aus einer freien
Infrastruktur zu verbannen macht sie nicht freier, eher im Gegenteil.

Ich glaube auch hier macht ein Blick über den eigenen Tellerrand Sinn um zu
sehen wie SLAler und Nicht-SLAler einen gemeinsamen Nenner finden. Vielleicht
auch um zu sehen wo die Reise hingehen könnte.

> > Nur, dass "eigene Leitungen" heutzutage "digital geführt" sind, also
> > nichts weiter als irgendein Virtualisierungsprotokoll das mit Hilfe
> > von Priorisierung und Bandbreitenreservierung so tut als ob das eine
> > physikalische Leitung wäre. Was meist auch gut ist, denn damit kann
> > man die Baggerfahrerresistenz deutlich erhöhen.
> 
> Die Stromnetzbetreiber haben beispielsweise eigene physikalische
> Leitungen. Und wenn garantierte Verfügbarkeit, Datenrate und Latenz
> wirklich wichtig sind, ist das eben auch heute noch das richtige Mittel
> der Wahl (wenn es irgendwie finanzierbar ist - ansonsten lebt ma halt
> mit dem Risiko).
> 
> > Warum sollte all das nicht auch in "freien Netzen" machbar sein
> > solange es einen _guten_ Grund dafür gibt?
> 
> Gute Gründe und Intentionen reichen nicht. Es muss auch noch technisch
> umsetzbar sein, ohne das Telekommunikationsgeheimnis oder das Gebot der
> Datensparsamkeit (im Sinne des Datenschutzes) zu verletzen und darf
> nicht leicht missbrauchbar sein.
> Aus tatsächlich ideologischen Gründen kommt bei Freifunk erschwerend
> hinzu, dass das Netz als solches nicht einfacher im Sinne von Zensur,
> Überwachung oder anderer Manipulation der Daten oder Nutzer ausnutzbar
> werden darf. Es gab Diskussionen, bevor Broadcastfilter installiert
> wurden - die Entscheidung fiel nicht leicht und hat gedauert.
> 
> > Das das ein Katz-und-Mausspiel ist... keine Frage. Aber darum geht es
> > ja nicht. Es geht mehr darum, dass Du es grundlegend ablehnst und ich
> > meine, dass es gute Gründe gibt es anzuwenden.
> 
> Ich lehne es grundlegend ab, wenn es tatsächlich nur um die Bevorzugung
> bestimmter Dienste oder Dienstarten geht. Da ist dann eben nicht mehr
> jeder Dienst gleichberechtigt, sondern es wird eine Wertung vorgenommen,
> welche (und somit auch, wessen) Daten wichtiger sind. Es gibt nunmal
> keine Premiumnutzer oder -Dienste in nem freien Netz. Wer das will,
> findet das auch im freien Markt (ist dann aber kein Freifunk).
> 
> > Seitdem gibt es Deep-Packet-Inspection und alles was nicht "gut" ist
> > kommt in die Holzklasse ;)
> 
> Genau. Darauf wurde dann mit Crypto oder Pseudocrypto zur Verschleierung
> geantwortet. Der Drops ist längst gelutscht und Filesharing schon lange
> wieder schnell (aber angeblich soll Youtube im Netz der Telekom immer
> noch öfters eher schlecht nutzbar sein).
> 
> Der nächste Schritt war übrigends die generelle Datendrossel - also die
> faktische Abschaffung der Flatrate bei manchem Provider. Die
> Diskriminierung der (von den Providern) ungeliebten Dienste
> funktionierte auf Dauer nicht mal mit Deep-Packet-Inspection.
> 
> In anderen Ländern haben Regierungen, die die selbe Technik für die
> Zensur ihres Teils des Netzes einsetzen, dann einfach alle Crypto-Pakete
> gedroppt. Das konnten die Provider in Deutschland allerdings nicht, weil
> dann auch Online-Banking und DRM-behaftetes Videostreaming, sowie die
> Hälfte des restlichen Internets nicht mehr verfügbar sind.
> Das hätte dann doch zu viele Kunden gekostet.
> 
> > Nun, wäre es nicht viel sinnvoller zu sagen, dass der Missbrauch
> > dieser Features "kein Freifunk" mehr ist, als ein Werkzeug, dass man
> > wie nun mal jedes andere auch halt auch missbrauchen kann?
> 
> Kann ma machen - ändert halt nichts daran, dass es dann trotzdem
> geschieht, extrem schwer zu erkennen ist und es im Freifunk-Netz
> aufgrund der Offenheit so gut wie unmöglich ist, jemanden sicher
> auszuschließen - es also auch keinerlei Abschreckung gibt.
> Das ist übrigends auch ein Design-Ziel, dass man niemand ausschließen
> können soll - das macht die Infrastruktur resistenter gegen politisches
> und juristisches DoS. Resistenz gegen derartige Angriffe ist extrem
> selten bei Providern in Deutschland.
> 
> > Nun, es gibt sicherlich auch Filter gegen IP-Spoofing... etc.pp
> > Defacto wird wahrscheinlich jedes Netz gegen eine harte Auslegung der
> > Netzneutralität verstoßen. Wozu also Regeln die praxisfern sind?
> 
> Netzneutralität bedeutet nicht, dass alles erlaubt ist - es findet blos
> keinerlei Datenverkehrbeeinflussung statt, die nicht für die
> Weiterexistenz des Netzes technisch notwendig ist. Die korrekte
> Zustellung der Pakete ist beispielsweise echt wichtig in
> paketvermittelten Netzen. Dass die schmalen Uplinks der Knotenbetreiber
> nicht bereits unterm Broadcast-Grundrauschen zusammenbrechen, ebenfalls.
> 
> > Nah, ich würde mal sagen, dass alles was unter "Emergency-Response"
> > verbucht werden kann, der Sinn&Zweck von Netzen ist. Alles andere ist
> > mehr so Convenience, weil man ja so ein Netz schon mal da hat.
> 
> Ich würde Online-Spiele jetzt nicht unter "Emergency-Response" verbuchen
> (die Meinungen mögen da natürlich auseinander gehen) - halte diese aber
> durchaus für einen Sinn&Zweck von Freifunk (genauso, wie
> Nachrichtenlesen, E-Mails-Schicken und -Empfangen,
> Interkontinental-VoIP, Youtube schauen, eigene stadtlokale Serverdienste
> betreiben, mit Mesh-Netzwerken experimentieren...).
> 
> Wenn du übrigends wirklich sehr wichtige "Emergency-Response" willst,
> wähle auf deinem Handy die 112. Über Freifunk der Feuerwehr eine
> dramatische E-Mail zu schicken, wäre hingegen die deutlich schlechtere
> Wahl. Außer, du bist grad abseits aller Festnetztelefone allein im
> Mobilfunkloch und hast trotzdem Netzzugang über Freifunk. :P
> 
> 
> 
> -- 
> Allan Wegan
> <http://www.allanwegan.de/>
> Jabber: allanwegan at ffnord.net
> OTR-Fingerprint: E4DCAA40 4859428E B3912896 F2498604 8CAA126F
> Jabber: allanwegan at jabber.ccc.de
> OTR-Fingerprint: A1AAA1B9 C067F988 4A424D33 98343469 29164587
> ICQ: 209459114
> OTR-Fingerprint: 71DE5B5E 67D6D758 A93BF1CE 7DA06625 205AC6EC
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