[WLANnews] ueber den Unsinn des Routing im Internet

Allan Wegan allanwegan at allanwegan.de
Mi Feb 27 23:10:54 CET 2013


> wir brauchen eine radikale entmuellung.

Jo, find ich auch: Nieder mit IPv4 - Dienste im Freifunk nur noch mit
IPv6-Adressen versehen!
IPv4 nur noch als Legacy anbieten, damit man die Altlasten im Internet
erreichen kann.

> wir haben uns das internet vorgenommen. seine urspruengliche intention
> steckt im namen. "INTERconnection of local NETworks". ein einfaches
> system. die lokalen netzwerke sind vollstaendig und autonom. sie haben
> ihre eigene serverstrukturen und routerinstanzen, die mit den anderen
> routern sich verbinden. so entsteht automatisch ein maschennetz. jeder
> router eines lokalen netzwerks verbindet sich mit seinen nachbarn.
> einfach.

Ja, BGP-Routing zwischen Autonomous-Systems ist der lang erprobte und
verblüffend gut funktionierende standard im Internet. Schöne
Beschreibung des erhaltenswerten Ist-Zustandes.

> jedes lokale netzwerk, als knotenpunkt im globalen netz verstanden,
> hat eine eindeutige geografische position.

Du surfst offensichtlich nicht im Zug und hast das auch nicht vor.
Typisch ist für viele Endgeräte in Freifunk-Netzen, dass sie gekauft
wurden, weil sie gerade nicht ortsfest, sondern im Gegenteil sehr mobil
und überall hin mitnehmbar sind. Einige Städte setzen unter anderem
gerade auch wegen des Roamings auf Batman.adv als Mesh-Protokoll.

> damit wissen wir von jedem punkt aus die richtung und distanz zum
> zielpunkt.

Aber über die Qualität der Verbindung zwischen zwei Knoten, oder ob es
überhaupt eine Verbindung in dieser Richtung gibt, sagen Geopositionen
nichts.
Als das Internet aufgebaut wurde, gab es noch weniger roamende Knoten
als heute. Außerdem waren damals alle beteiligten Rechner ortsfest und
hatten statisch vergebene Adressen. Dennoch hat man nicht die
Geoposition als Adresse genutzt. Und das hat einen sehr einfachen Grund:
Es bringt keinerlei Vorteile gegenüber willkürlich gewählten Adressen.
Man kann aus der geografischen Lage nicht ableiten, welche Route zum
Zielort die beste ist. Es kann sein, dass direkte Routen eine höhere
Latenz oder mehr Paketverlust aufweisen, als Routen mit einigen Hops
mehr. Der typische Autovergleich ist die streckenmäßig kürzere Route
durchs städtische Winkelwerk und die längere Route über Hauptstraßen,
die trotzdem zeitlich kürzer ist. Im Internet haben dann auch noch
verschiedene Punktzupunktverbindungen verschiedene Nutzungskosten. Auch
wenn die strecke zeitlich und vom zurückgelegten Weg her länger ist,
kann es sinnvoller sein, diese zu nutzen, weil ihre Nutzung weniger
Kosten verursacht.
Interessanterweise gibt starke Qualitätsunterschiede bei den Routen
gerade auch in typischen WLAN-basierten Freifunkmeshes. Wenn sich A und
B direkt funktechnisch sehen, heißt das noch lange nicht, dass ein Umweg
über C, der mit A und B viel verlustärmer kommunizieren kann, nicht
dennoch die bessere Route ergibt.

> routingtabellen und alle formen von blindem suchen sind hinfaellig.

Du brauchst für sinnvolles Routing mindestens die Information darüber,
mit wem du direkt kommunizieren kannst und wie die Eigenschaften dieser
Verbindung sind (in Funknetzen und für ADSL-Dialup übrigends getrennt
für beide Transferrichtungen!).
Wenn du das nicht speicherst, kannst du schlicht nicht routen - auch
dann nicht, wenn du die Geoposition als Adresse nimmst!
Also ne Tabelle mit den Nachbarn und deren Anbindung an den eigenen
Knoten brauchste eh schon mal.
Nun will man normalerweise nicht nur mit seinen Nachbarn, sondern auch
mit entfernteren Knoten kommunizieren. Also muss man selbst wissen, an
wen man ein Paket am besten direkt weitergibt. Und der, dem man es gibt,
muss das für sich auch wissen...
Da gibts nun sehr verschiedene Ansätze. Aber alle merken sich
irgendwelche routingrelevanten Daten oder bekommen die vorab konfiguriert.
Ohne Suchen bedeutet, dass man vorab konfiguriert - nicht gut für
Meshing. Mit Suchen, bdeutet, dass man die Ergebnisse dieser Suche
cached, damit man neben den suchpaketen auch noch Nutzdaten im Netz
transportiert bekommt.

Aber wenn du trotzdem ein gedächnisloses Routingprotokoll bauen kannst
und meinst, dass es performt, dann tu das und präsentier es der
Fachwelt. Wenn das performt sind dir Ruhm und Ehre sicher.

> aber was haben wir heute? mit einer skurrilen beschreibung will ich es
> verdeutlichen. wir gehen einkaufen von zuhause. bevor wir das haus
> verlassen, legen wir uns eine augenbinde um und vergessen alle
> kenntnisse der lokalen struktur. dann machen wir ein statistisches
> modell ueber einen pfad von unserem haus zum naechsten markt, wo wir
> einkaufen gehen wollen. auf diesem pfad kommen wir dann wieder
> zurueck.

Was manche Meshingprotokolle machen ist: Beim ersten Mal gehen sie
einfach alle Strecken ab und merken sich dann, welche die beste ist.
Andere Protokolle nutzen Stadtkarten und fragen unterwegs nach dem Weg.
Das Augenbindenbeispiel ist populistischer Bullshit! Im Gegenteil willst
du Routing mit Amnesie realisieren, indem du auf ein Gedächnis
(Routingtabellen) verzichten möchtest.

> das militaer und die staatlichen instanzen fuerchten sich davor.

Nö, offensichtlich gibt es öffentlich abfragbare Datenbanken mit
Geo-Informationen zu vergebenen IP-Adressen. Oder was meinste wohl, wie
Youtube erkennt, ob man aus GEMA-Land kommt und fast alle Videos, die
Mucke enthalten hesperrt werden?

Manchmal wird etwas einfach nur deshalb nicht genutzt, weil es keinen
ausreichenden Vorteil bringt, es zu nutzen. Es kommt vor, dass hinter
einer Nichtnutzung einer vermeintlich guten Idee keine Verschwörung
steckt...

> propagandistisch wird dies unter der flagge der anonymitaet, dem
> schutz der privaten spaere, angeboten.

Gut, eine genaue Geoposition als Adresse würde möglicherweise
tatsächlich gegen den Bundesverfassungsgerichtlich bestätigten Anspruch
auf anonyme Nutzung der Dienste im Internet verstoßen. Aber das Internet
kommt ursprünglich aus den USA und dort gibt es einen derartigen
Anspruch vermutlich nicht.
Außerdem geht der Trend gerade massiv richtung technischem Rechtsschutz
per nichtloggendem VPN-Provider. Da ist dann auch egal, ob der ne Geo-IP
hat oder nicht.

> und was tun wir? wir organisieren die lokalen netzwerke mit eigenen
> servern und eigenen routern. wir bauen die lokalen und regionalen
> verbindungsstrecken. und wir generieren ein neues Internet Paket
> protokoll, das IPv8/16 mit geografisch definierten IP adressen.
> zusammen mit der weltweiten Open Source Community.

Gib mal nen Link mit technischen Informationen zu dem Projekt (in
English, Deutsch oder Programmcode bitte). Als Techniker interessiert
mich eh weniger der Politkram, als die technische Realisierung.
Wenns wiedererwarten doch funktioniert, wär ein performantes
speicherloses Ad-Hoc-Mesh-Routingprotokoll jedenfalls genau das, was ich
will...



-- 
Allan Wegan
Jabber: allanwegan at erdor.de
ICQ: 209459114

-------------- nächster Teil --------------
Ein Dateianhang mit Binärdaten wurde abgetrennt...
Dateiname   : signature.asc
Dateityp    : application/pgp-signature
Dateigröße  : 490 bytes
Beschreibung: OpenPGP digital signature
URL         : <http://lists.freifunk.net/pipermail/wlannews-freifunk.net/attachments/20130227/3d0ecc54/attachment.pgp>


Mehr Informationen über die Mailingliste WLANnews