[hannover] Eine Art offener Brief an euch
Bernd Schittenhelm
freifunk-nordstadt at gmx.de
So Mai 6 13:25:44 CEST 2018
Hallo Achim.
Deine Entscheidung ist sehr bedauerlich, zumal wir mit der Netztrennung
in den letzten Zügen liegen.
Ich möchte aber gerne noch einige Anmerkungen zu deinen Kritikpunkten
machen:
Firmware Updates: ja, die Firmware Updates haben in der Tat einiges an
Problemen verursacht.
Das liegt aber nicht daran, dass wir die nicht getestet oder zu viel auf
einmal umgebaut haben (es wurde in Einzelschritten immer nur das
Notwendigste umgebaut).
Wir haben zwischenzeitlich immer mal wieder zwischen 20 und 30 Router im
Beta Testbetrieb laufen und das Rollout erst gestartet, nachdem diese
Router mindestens 2 Wochen fehlerfrei liefen.
Leider ist es kostentechnisch nicht machbar, jeden Routertyp im Netz von
Hannover Freifunk einmal als Beta-Gerät vorrätig zu haben da wir die
Testgeräte alle aus eigener Tasche bezahlen.
Auch ist nicht immer vorhersehbar, wie sich ein Update verhält, wenn es
in großer Menge ausgerollt wird.
Das letzte Update (Hannover1) war z.B. in kleiner Menge nicht auffällig
geworden.
Ab 400 Routern haben wir allerdings festgestellt, dass das Protokoll
einen Bug hatte, der zu hoher Netzlast geführt hat.
Es musste dann schnell reagiert und ein gepatchtes Update nachgeschoben
werden.
Dafür entschuldigen wir uns aber es handelt sich bei Freifunk eben um
ein Community Projekt, das in der Freizeit entwickelt wird und kann
daher nicht mit professioneller Software verglichen werden.
Ich darf aber auch daran erinnern, dass selbst bei Microsoft oft
Updates ausgerollt werden, die das Betriebssystem zerstören können.
Aber: Jeder kann beim Beta-testen mitmachen, das haben wir auch öfters
erwähnt und aufgerufen, den Update Zweig auf Beta zu stellen.
Das ist natürlich mit Arbeit verbunden und auch nicht immer
ungefährlich, man muss schon etwas Willen zur Mitarbeit und technisches
Wissen mitbringen.
Das Netz wird immer langsamer: Ja, auch das stimmt.
Das ist aber kein Problem mit den Updates oder den Servern, sondern
liegt einfach an der Fülle der Router die wir derzeit im Netz haben
(daher die o.g. Netztrennung).
Jeder Router will mit jedem Router reden und das skaliert einfach nicht.
Ab ca. 900 Routern haben wir festgestellt, dass wir Probleme bekommen
und haben uns seit dem mit der Netztrennung beschäftigt.
Wir sind, wie schon erwähnt, bereits seit über einem Jahr bei den
Vorbereitung, ein großes Problem waren allerdings die zusätzlichen
Router aus der Niedersachsenförderung.
Sowohl Hannover als auch Steinhude und haben viele Router aus der
Förderung bekommen und dann kamen noch kleinere Gemeinden hinzu, die im
Nachgang auch noch Router bekommen haben.
Das Ganze zusätzlich zum normalen Wachstum der letzten zwei Jahre hat
leider den Rahmen etwas gesprengt.
Dazu kommt, dass in der Entwicklung, Wartung und Serverbetreuung nur ca.
5 Leute arbeiten, natürlich nur nach Feierabend und in der Freizeit.
Die Netztrennung erforderte sehr viel Vorarbeiten: Firmware für die
Router vorbereiten und multidomainfähig machen, Server aufbauen und
konfigurieren, Meshviewer anpassen, Netzwerk multidomainfähig machen, etc.
Du siehst, da hätten wir gut und gerne noch ein paar Mann brauchen können.
Mangelhafte Kommunikation: ja, auch da hast du sicherlich Recht, das
hätte besser laufen können.
Wir arbeiten derzeit mit 3 Kommunikationskanälen (Mailingliste,
Facebook, Twitter) und jeder Freifunker hat so seinen präferierten Kanal.
Da wir aber die meiste Arbeit zu hause und nicht auf den wöchentlichen
Treffen machen, ist eine Abstimmung der Kommunikation oft sehr schwierig.
Intern verwenden wir Mail als Kommunikationskanal und Einige den Chat
(IRC).
Bei ca. 500-1000 Mails die ich pro Monat nur für Freifunk bekomme und
die Tatsache, dass ich nicht immer im Chat bin und der auch keine
Aufzeichnung macht, geht mir aber schon mal das Eine oder Andere flöten.
Den anderen geht das sicher ähnlich.
Wir versuchen uns zu bessern aber auch hier gilt: viel Arbeit, wenig
Personal.
Was wir bräuchten, wäre ein Pressesprecher, der intensiv in die
Kommunikation eingebunden ist und alle Informationen bündelt.
Vielleicht findet sich ja jemand für diesen Job.
Erwartungshaltung an Freifunk: ein funktionierendes Netz ist immer toll
und jeder nimmt das gerne einfach so an und freut sich darüber.
Sobald Probleme auftauchen, hagelt es aber Beschwerden, ungeachtet der
Tatsache, dass nie etwas versprochen wurde und auch keiner dafür zahlen
will.
Wer die Erwartung einer 99,9 %-igen Verfügbarkeit hat, der ist bei
kommerziellen Anbietern besser aufgehoben.
Preise findet man im Internet.
Wer auf Freifunk setzt, bekommt ein Netz, das in privater Zeit und
unentgeltlicher angeboten wird.
Das muss man jedem klar machen, der so einen Freifunk Router bei sich
aufstellt, damit die Erwartungshaltung entsprechend ist.
Wenn wir Router aufbauen oder Verwaltung und Politik anschreiben,
erklären wir detailliert, was Freifunk ist und was man erwarten kann und
was nicht.
Es geht um ein nicht-kommerzielles, in Freizeit aufgebautes
Bürgerprojekt, bei dem jeder mitmachen kann und wer einen Freifunk
Router aufstellt, sollte auch bedenken, dass er selbst für diesen Router
verantwortlich ist und sich auch mit den Grundzügen der Technik auskennen.
Freifunk kann keine Garantien geben und keinen 24/7 Support (jenseits
des üblichen Mailsupports) leisten.
Unklare Strukturen bei FFH: Wir sind ein Freizeitprojekt, was erwartest
du? Projektmanagement?
Jeder hat so sein Thema und immer mal wieder kommen und gehen Helfer.
Wer regelmäßig bei den Treffen ist, lernt die sehr flache Struktur aber
schnell kennen.
Du musst einfach nur mal regelmäßig vorbei kommen.
Soviel zu dem von dir angesprochenen Kritikpunkten.
Zu deiner Entscheidung, dich von Freifunk zu trennen kann ich nur sagen:
Das muss du selbst wissen, allerdings springst du gerade zu einem
Zeitpunkt ab, wo sehr wahrscheinlich alles bald besser wird.
Wir sind mit der Netztrennung fast durch und erste Tests in
Einzelsegmenten zeigen sehr gute Ergebnisse bezüglich Geschwindigkeit
und Konnektivität.
Wenn du in nem Monat - oder halt nach unserem Go - noch mal rein schauen
willst, wirst du sicherlich wieder ein sehr gutes Freifunk Hannover
vorfinden, mit dem du gut leben kannst.
Meine Empfehlung: warte noch etwas ab, auch wenn es im Moment überall
weh tut.
Gruß
Bernd
Am 05.05.2018 um 19:48 schrieb Achim Hut:
> Liebe Freifunker in Hannover.
> Nach fast drei Jahren Freifunk verabschiede ich mich bis auf weiteres
> von euch.
> Ein freies Wlan war und ist in meinen Augen eine gute Sache.
> Ich habe gerne sechs Freifunk APs bezahlt und betrieben.
> Um den Fiedelerplatz in Hannover Döhren entwickelte sich eine gute
> Community, zu der Sebastian und andere beigetragen haben.
>
> Leider konnte Freifunk Hannover nicht die Erwartungen erfüllen,
> die ich und meine Nachbarschaft in dieses Projekt gesetzt hatten.
>
> Seit einem Jahr waren die Firmware Updates durchgängig (erst einmal)
> fehlerhaft und führten über längere Zeit zu einem unzuverlässigen
> Betrieb.
> Das Netz wurde immer langsamer, oft musste ich hören, dass Freifunk
> nichts taugt.
>
> Die Kommunikation war mangelhaft. Es gab nur selten headups wenn
> Änderungen, Wartungsarbeiten oder Firmware Updates gemacht wurden.
> Kurzum: Administration nach Gutsherrenart.
>
> Ich habe hier in Döhren folgendes beobachtet:
> Gewerbetreibende, die einen FFH AP in ihren Laden stellen, möchten
> nichts für die Hardware zahlen (gut, das habe ich übernommen), und sie
> erwarten, dass der Dienst einfach läuft. Sie möchten sich nicht bei
> ihren Kunden erklären müssen, warum es Probleme gibt.
>
> Bei den Nutzern wurde der Dienst dankend angenommen. Aber auch hier
> wird Zuverlässigkeit erwartet. Freiwillige hin, Freiwillige her, es
> gibt eine Erwartungshaltung. Die habt ihr auch selbst geschürt, indem
> ihr Verwaltungen und Politik angesprochen habt.
>
>
> Shit happens, und ich kann mir das Gefühl gut vorstellen, wenn
> ihr merkt, das Netz bricht zusammen. Und ich habe vollen Respekt
> davor, alles liegen und stehen und lassen und tagelang sich den
> Problemen zu widmen. Aber ihr habt auch schlecht getestet und zu viel
> auf einmal umgebaut.
>
> Was mich endgültig zum Abschalten meiner APs bewogen hat war,
> dass ich
> a) den Eindruck hatte, anstatt das Netz zu stabilisieren und erstmal
> Ruhe einkehren zu lassen werden noch mehr Baustellen aufgemacht.
>
> b) Das man in meinen Augen nicht willens scheint, den Beta Zweig in
> Zukunft intensiver zu testen bevor er zum Release wird.
>
> c) Das es total unklare Strukturen bei FFH gibt.
>
> d) die schlechte Kommunikation.
>
> Ich sehe Freifunk trotz allem als eine positive Bewegung und
> werde das Ganze weiterhin interessiert beobachten.
>
> Was mache ich in Zukunft in Döhren?
> Mir sind vier Optionen eingefallen:
> 1) Abschalten
> 2) Abschalten und irgendwann weitermachen (doof, weil alle gerade in
> den Cafes sitzen und ins Internet wollen)
> 3) Mich mit Freifunkern aus einer anderen Stadt zusammenschalten
> 4) APs in den Originalzustand flashen und einfach offene
> APs aufmachen.
>
> Ich habe mich für die vierte Option entschieden.
> Zumindest für die kommende Zeit. Es ist ein Versuch.
>
> Viel Glück und Erfolg
> Achim
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