[WLANtalk] EILT - Einschätzung zu TMG Änderung

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Do Mai 12 01:48:18 CEST 2016


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Betreff: Abschaffung der WLAN-Störerhaftung? Zu früh für Jubel
Datum: 	Wed, 11 May 2016 18:43:37 +0000
Von: 	Ingo Dachwitz <>

Abschaffung der WLAN-Störerhaftung? Zu früh für Jubel

Wie geht es weiter mit der WLAN-Störerhaftung? 
<https://cdn.netzpolitik.org/wp-upload/störerhaftung.png>

Die Freude war groß heute Morgen, als über Twitter bekannt wurde, dass 
sich die Große Koalition auf ein Ende der Störerhaftung geeinigt habe. 
Wir wunderten uns, dass es zwar eine Einigung, aber offensichtlich noch 
keinen konkreten Gesetzestext gab. Die Erfahrung zeigt schließlich, dass 
damit noch nichts in trockenen Tüchern ist und in dem konkreten 
Gesetzestext noch Schlupflöcher auftauchen könnten, die das eigentliche 
Ziel der Rechtssicherheit für Betreiber offener Netze konterkarieren.

Die von der Regierungskoalition verabredete Änderung im Gesetzentwurf 
zur Reform des Telemediengesetzes 
<http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/18/067/1806745.pdf> sieht laut Büro 
des netzpolitischen Sprechers der CDU-Fraktion, Thomas Jarzombek, vor, 
dass mit Streichung des bisher geplanten § 8 Abs. 4 TMG zumindest die 
Themen Passwort-Pflicht und Vorschaltseite 
<https://netzpolitik.org/2016/stoererhaftung-koalition-verhandelt-gesetzentwurf/> 
vom Tisch sind. Laut Büro des netzpolitischen Sprechers der 
SPD-Fraktion, Lars Klingbeil, soll eine komplette Gleichstellung von 
WLAN-Anbietern mit Access-Providern erfolgen. Betreiber von offenen 
Netzen würden dann ebenfalls von deren Haftungsprivilegierung 
profitieren. Das eigentliche Problem der Rechtsunsicherheit für 
Betreiber offener Hotspots durch Abmahnungen könnte jedoch trotzdem 
weiterhin bestehen bleiben.


       Achtung, Unterlassungsanspruch!

Ob es ausreicht, lediglich WLAN-Provider mit „normalen“ Providern 
gleichzustellen, um sicherzugehen, dass diese nicht mehr für 
Rechtsverstöße der Nutzer ihres Hotspots abgemahnt werden können, ist 
nämlich strittig. Richter Ulf Buermeyer, freier Autor bei 
netzpolitik.org und Gutachter bei der Bundestagsanhörung zur Reform des 
Telemediengesetzes, kommentiert gegenüber netzpolitik.org:

     In Anbetracht der Rechtsprechung des Bundesgerichthofes im Fall
     Goldesel
 
<https://netzpolitik.org/2015/bgh-entscheidung-zu-netzsperren-die-nichtsnutzige-digitale-sichtschutzpappe-ist-zurueck/>
     sind alle Access-Provider potentziell von Netzsperren oder
     Abmahnungen bedroht. Rechtsgrundlage hierfür ist in beiden Fällen
     ein Unterlassungsanspruch. Es kommt deshalb jetzt darauf an, dass
     die Koalition ebenfalls regelt, dass der Ausschluss der Haftung nach
     § 8 TMG auch Unterlassungsansprüche erfasst – so wie es der
     Vorschlag des Vereins Digitale Gesellschaft und der des Bundesrats
     vorsehen. Sonst ist mit dem Gesetz nichts gewonnen.

Volker Tripp vom Digitale Gesellschaft e.V. – ebenfalls als Gutachter 
bei der Bundestagsanhörung – sieht das genauso:

     Der Gesetzgeber hat die Möglichkeit, das Plädoyer des Generalanwalts
     nun konsequent umzusetzen. Dieser hat lediglich gefordert,
     gerichtliche Unterlassungsanordnungen zu ermöglichen. Dazu bedarf es
     nicht zwingend eines Unterlassungsanspruchs. Deshalb sollte sich die
     Haftungsfreistellung explizit auch auf Unterlassungsansprüche
     erstrecken. Der Generalanwalt hat außerdem klargestellt, dass
     WLAN-Betreiber keinesfalls für Abmahn- oder Gerichtskosten haften
     dürfen. Auch das muss nun gesetzlich festgeschrieben werden.


       Wie es gehen könnte

Als Lösung schlägt Buermeyer vor, in die in § 8 geregelte 
Haftungsprivilegierung von WLAN-Anbietern auch die Freistellung von 
Unterlassungsansprüchen explizit mit aufzunehmen – das Problem der 
Abmahnungen wäre somit sicher gelöst. Zugleich könnte die Möglichkeit 
geschaffen werden, im Falle von Rechtsverstößen gerichtliche 
Sperranordnungen zu erwirken. Wenn klargestellt würde, dass die Kosten 
hierfür der Antragssteller zu tragen hat, wäre der Abmahnindustrie ihre 
Geschäftsgrundlage entzogen. Eine solche Regelung würde auch dem Votum 
des Generalanwalts beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) 
<https://netzpolitik.org/2016/stoererhaftung-eugh-generalanwalt-macht-hoffnung/> 
gerecht werden, so Buermeyer.

Für Jubel ist es also noch zu früh. Ärgerlich an der Debatte ist vor 
allem, dass der konkrete Änderungsvorschlag noch niemandem schriftlich 
vorliegt, gleichzeitig aber bereits Erfolge gefeiert werden. Wir müssen 
derweil abwarten, ob die Große Koalition tatsächlich eine bedingungslose 
Abschaffung der Störerhaftung beschließt oder lediglich den gröbsten 
Unfug aus einem Gesetz streicht, welches ansonsten die 
Rechtsunsicherheit für Betreiber offener Netze fortschreibt.



Am 11/05/2016 um 12:03 schrieb Monic Meisel:
> Liebe alle,
>
> bitte leitet das dringend an alle Freifunkies weiter (gerne auch ins Forum).
>
> OB wir gewonnen haben ist alles andere als klar - wir dürfen uns nicht zu früh freuen und müssen auf den letzten Metern den Druck aufrecht erhalten.
> DENN wir müssen da SEHR aufpassen, dass wir uns nicht zu früh freuen.
>
> Im SPD Blog war heute zu lesen http://blogs.spdfraktion.de/netzpolitik/2016/05/11/wlan
>
> Es gibt bisher ZWEI Probleme, so einer unserer Juristen:
>
> a) WLAN = Provider?
>
> b) gilt § 8 TMG für Unterlassungsansprüche?
>
> Die Koa hat nun gesagt, dass sie Problem a) fixen will, und auch ohne
> Vorschaltseite etc pp. Nice.
>
> Nach meiner Kenntnis soll Problem b) aber NICHT gefixt werden, "weil
> doch der Generalanwalt sagt, dass Sperranordnungen weiter möglich sein
> sollen".
>
> Ich denke ich muss nicht groß ausführen, was das nach BGH zu goldesel.to
> bedeutet ...
>
> http://www.zeit.de/digital/internet/2015-11/bgh-urteil-netzsperren-illegaler-download
>
> Die Lösung bestünde mMn darin, zwar in das Privileg nach § 8 TMG auch
> Unterlassungsansprüche aufzunehmen (=keine Abmahnungen mehr), zugleich
> aber ein Verfahren zB nach dem FamFG zu schaffen, wo man
> Sperranordnungen AUF KOSTEN DES ANTRAGSTELLERS erwirken kann (so wie es
> auch der GenA fordert). Das würde dann nämlich kaum einer machen. So
> wäre formal der Infosoc-RL Genüge getan, aber trotzdem freies WLAN möglich.
>
>
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